Häufige Fragen zu Gleichstellungsdaten

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Gleichstellungsdaten, im Englischen bekannt als Equality Data, sind Daten, die erhoben werden, um strukturelle Benachteiligungen (z.B. auf Grund des Geschlechts) analysieren und durch gezielte Maßnahmen (z.B. Gleichstellungspläne für Frauen im Rahmen des sogenannten Gender Mainstreaming) abbauen zu können. Zukünftig sollten auch Gleichstellungsdaten erhoben werden, die andere Benachteiligungen, wie rassistische Diskriminierung und insbesondere das Zusammenwirken von verschiedenen Formen von Diskriminierung (z. B. auf Frauen, die wegen ihrer zugeschriebenen Herkunft benachteiligt werden), aufdecken. Wenn Gleichstellungsdaten aufzeigen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in Institutionen und Unternehmen unterrepräsentiert sind, dann ist dies eine erste Grundlage um inklusivere Strukturen zu etablieren. Gerade der öffentliche Sektor hat hier eine besondere Verantwortung die Vielfalt der Gesellschaft, für die er arbeitet, abzubilden – und häufig eine Vorreiterrolle in der Verwirklichung von Gleichstellung.

Gleichstellungsdaten ermöglichen es, auf eine tatsächliche Gleichstellung von Menschen in Beruf und Bildung, Gesundheit und Gerichtsbarkeit sowie vielen anderen Lebensbereichen hinzuarbeiten. Sie sind damit eine Voraussetzung, um Gleichstellung und gleiche Chancen in öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen sowie Unternehmen sicherzustellen. Denn durch die Erhebung von Gleichstellungsdaten kann aufgezeigt werden, inwieweit einzelne Diskriminierungserfahrungen sich wiederholen und somit ein Symptom von strukturellen Benachteiligungen sind, die verhindern, dass bestimmte Menschen in den betreffenden Institutionen gleichgestellt werden.

Ein Beispiel für die Notwendigkeit und erste Erfolge von Gleichstellungsdaten ist die gezielte Förderung von Frauen im Rahmen von Gender Mainstreaming Maßnahmen. Diese zeigen: Es ist möglich, struktureller Benachteiligung mit gezielten Maßnahmen entgegenzuwirken – wenn zuvor erfasst wurde, wie sich Diskriminierung konkret äußert.

Diese Erfolge bedeuten nicht, dass Diskriminierung von Frauen nun nicht mehr stattfindet – aber sehr wohl, dass sie immer weniger geduldet wird. Daten, die Diskriminierung von Frauen sichtbar machen, sind dabei eine wichtige Grundlage für Gesetze und Fördermaßnahmen, die die Benachteiligung von Frauen vermindern sollen. Auch bei anderen Bevölkerungsgruppen, von denen die Forschung zeigt, dass sie nach wie vor Diskriminierung, insbesondere in Form von strukturellen Ausschlüsse, erfahren, sollten vergleichbare Maßnahmen ergriffen werden.

Nein, denn bei Gleichstellungsdaten geht es nicht um Schubladen – es geht nicht darum, Menschen eine starre Identität/Kategorie zuzuteilen, der sie sich dann für immer zuordnen müssen. Es geht auch nicht darum, Kategorien und Begriffe festzulegen, mit denen sich dann alle so Bezeichneten positiv identifizieren müssen. Bei der Erstellung von Kategorien für Gleichstellungsdaten geht es stattdessen im Kern darum, herauszufinden aufgrund welcher Zuschreibungen Menschen diskriminiert werden. Die Kategorien sind also keine immer gleichen Schubladen, sondern sind situativ, diskriminierungsbezogen und somit wandelbar. Daher werden Befragte nicht nur nach ihrer Selbstidentifikation gefragt, sondern vor allem danach, wie andere sie sehen und  aufgrund welcher Zuschreibungen sie  diskriminiert werden.

Nein, im Gegenteil: Die deutsche Bundesregierung hat die UN-Anti-Rassismuskonvention (“Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung”, kurz ICERD) ratifiziert und wurde 2015 erneut von dem zuständigen Komitee mahnend darauf hingewiesen, Daten über die nach ICERD-schutzwürdigen Gruppen (von Rassismus betroffene Gruppen) zu erheben, um seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Dabei wurde betont, dass die Erhebung des Migrationshintergrunds nicht ausreichend ist. Darüber hinaus wurden bereits datenschutzkonforme Kernprinzipien zur Erhebung von Gleichstellungsdaten entwickelt, deren Einhaltung sicherstellt, dass rechtliche Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene eingehalten werden (siehe Frage “Wie sollen solche Daten erhoben werden?”). Das Beispiel Großbritannien zeigt zudem, dass die Erhebung von Gleichstellungsdaten konform mit den EU Datenschutzvorgaben ist.

Weil Diskriminierung real ist: Menschen werden u. a. dadurch diskriminiert, dass sie von anderen “in eine Box gesteckt” und dann aufgrund dieser Zuschreibungen schlechter behandelt, abgewertet oder z.B. für weniger intelligent gehalten werden. Dies kann bewusst oder unbewusst, im persönlichen Umgang sowie “unpersönlich” durch Verfahren oder Regeln geschehen, die im Endeffekt bestimmte Menschen benachteiligen – z. B. Frauen – oder bevorzugen – z. B. Männer. Die Realität der Diskriminierung bedeutet, dass diese Unterscheidungen einen Unterschied machen und deshalb sowohl die Benachteiligten als auch die Bevorzugten benannt werden müssen. Wenn wir das nicht wahrnehmen und durch Daten erheben, können wir insbesondere die Menschen nicht schützen und ermächtigen, in deren Leben sich mehrere dieser Facetten überschneiden, z. B. weil sie als asiatische Frauen oder Schwarze Transpersonen auf eine bestimmte Weise diskriminiert werden.

Es wurden sechs Kernprinzipien zur Erhebung von Gleichstellungsdaten entwickelt, deren Einhaltung sicherstellt, dass rechtliche Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene (z. B. Art 8.2 der europäischen Datenschutzrichtlinie) und auf deutscher Ebene (z. B. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung) eingehalten werden. Diese sind im Einzelnen:

  • die Selbstidentifikation der Befragten (anstatt einer Fremdzuschreibung durch Dritte)
  • die Freiwilligkeit der Teilnahme
  • die Einwilligung nach erfolgter Aufklärung über Sinn und Zweck der Datenerhebung
  • die Anonymität bei der Datenerhebung (d. h., dass die Daten anonym erhoben oder so verarbeitet werden, dass im Anschluss nicht mehr nachvollziehbar ist, welche Person welche Antwort gegeben hat)
  • die Beteiligung von Vertreter*innen zu befragender Gruppen und Gemeinschaften während des Prozesses der Datenerhebung, -analyse und -verbreitung (d. h. diese werden für die Benennung von Kategorien und zur Entwicklung von Fragen, die der Identifikation einer Behinderung oder der zugeschriebenen “ethnischen” Abstammung dienen, eingebunden; sie müssen zudem den Zwecken der Datenerhebung zustimmen)
  • das Recht, multiple und intersektionale Identitäten zu wählen (d. h., dass Befragte nicht nur eine Identität angeben können, sondern, wenn sie es wünschen, mehrere)

Leider werden immer differenziertere  Daten von einer immer unübersichtlicheren Zahl von Institutionen und Firmen erhoben. Einige davon haben das Potential, zu Diskriminierung beizutragen (z. B. im Fall der Schufa). Gleichstellungsdaten dagegen werden explizit mit dem Zweck erhoben, Diskriminierung sichtbar zu machen. Der Datenschutz sollte und muss jedoch auch bei der Erhebung von Gleichstellungsdaten unbedingt eingehalten werden, nicht zuletzt, da es sich bei Gleichstellungsdaten um sogenannte “besondere Arten von Daten” (Bundesdatenschutzgesetz §3 Absatz 9) – also besonders sensible Daten – handelt, deren Erhebung und Verarbeitung nach EU, Bundes- und Landesdatenschutzvorgaben nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist. Die Einhaltung der Kernprinzipien (siehe unter “Ist das nicht illegal? Darf man das?” und “Wie sollen solche Daten erhoben werden?”) bietet hier eine gute Orientierung, um den Vorgaben gerecht zu werden und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzuhalten.

Weil nur so ein umfassendes Bild der Realität von Diskriminierung erfasst werden kann. Die Erhebung von Gleichstellungsdaten ist die Voraussetzung, um systematisch gegen Diskriminierung in Organisationen vorzugehen. Denn dadurch kann institutionelle Diskriminierung nachgewiesen werden, also die Muster der Diskriminierung jenseits der Einzelfälle, die Formen der Diskriminierung, die sich aus vermeintlich neutralen Gesetzen und Verfahren ergeben.

Der Migrationshintergrund reicht zur Erhebung von Gleichstellungsdaten nicht aus, da er nicht alle Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, erfasst. So leben in Deutschland immer größere Bevölkerungsgruppen – z. B. Nachkommen in der dritten oder vierten Einwanderer*innengeneration – die durch den Migrationshintergrund nicht erfasst werden können, da dieser meist nur die zweite Generation einschließt. Die Forschung zeigt auch: je länger Familien und ihre Nachkommen in Deutschland leben, desto schwieriger – wenn nicht sogar unmöglich – wird es, sie durch den Migrationshintergrund zu erfassen. Zudem ist der Migrationshintergrund bei weitem nicht so neutral, wie gemeinhin angenommen: es war eine willkürliche Entscheidung der zuständigen Behörde, dass nur nach 1949 Eingewanderte auch statistisch als Einwanderer*innen zählen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass die statistische Kategorie “Migrationshintergrund” im alltäglichen Gebrauch von Politiker*innen ethnisierend und mit negativen sozio-ökonomischen Konnotationen verwendet wird.

Die Datenerhebung an sich ändert nichts, sie ist aber eine wichtige Voraussetzung für einen besseren Schutz vor Diskriminierung. Denn nur, wenn nachgewiesen und nachgezeichnet wurde, in welcher Weise nicht nur Individuen, sondern gerade auch vermeintlich neutrale Institutionen, Verfahren und Prozesse Menschen unterschiedlicher (zugeschriebener) Gruppen in ungleicher Weise behandeln, kann institutionelle Diskriminierung sichtbar und bearbeitbar gemacht werden. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Erhebung von Gleichstellungsdaten einen fundierten Dialog über diversitätssensible Veränderungen diskriminierender Verfahren ermöglicht.

Außerdem spielt Datenerhebung eine wichtige Rolle für die betroffenen Gemeinschaften: Sie hilft, deren Erfahrungen sichtbar zu machen und damit die Bewusstwerdung über die Realitäten der Diskriminierung sowie Verbesserungsmöglichkeiten zu fördern. Gleichstellungsdaten tragen so dazu bei, das Bewusstsein gerade für die institutionelle Dimension dieser Erlebnisse in betroffenen Gemeinschaften zu stärken. Sie sind damit ein wichtiger Baustein zur Ermächtigung der Betroffenen.

Natürlich beantworten Menschen diese Fragen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Fragen darauf ausgerichtet sind, ihre Erfahrungen sichtbar zu machen, anstatt sie undifferenziert zu stigmatisieren bzw in Schubladen zu zwängen, die unpassend sind. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine repräsentative, europaweite Sondererhebung des Eurobarometers (Nr. 263): 75 % der Befragten (N= 24.796) gaben an, dass sie es befürworten, Informationen über ihre zugeschriebene “ethnische Herkunft” anzugeben, wenn dies dazu dient Diskriminierung zu bekämpfen. In Deutschland befürworteten 71 % der Befragten (N=1570) eine solche Erhebung.

In Anlehnung an die Kernprinzipien der Erhebung von Gleichstellungsdaten (siehe weiter oben unter “Ist das nicht illegal? Darf man das?”) sollten die Kategorien im Austausch mit Vertreter*innen zu befragender Gruppen und Forscher*innen entwickelt werden und die spezifische Geschichte in Deutschland berücksichtigen. Die Kategorien sind keine starren Schubladen, sondern den Gegebenheiten in Deutschland anpassbar, wie dies bspw. auch in Kanada, Großbritannien und den USA praktiziert wird.

Die Erhebung von Gleichstellungsdaten ist keine Lösung, um Diskriminierung zu bekämpfen, sondern ein grundlegendes Werkzeug um jegliche systematischen, proaktiven Antidiskriminierungsmaßnahmen zu entwickeln, die sich auf große Bevölkerungsgruppen beziehen. Die Erhebung ermöglicht eine Analyse des Ist-Zustands, die Planung von Interventionsmaßnahmen sowie ein fortlaufendes Monitoring und eine abschließende Evaluation bzw. entsprechende Nachsteuerung.

Es lassen sich grundsätzlich zwei Arten von Gleichstellungsdaten unterscheiden. Einerseits erlauben sogenannte Diskiminierungsdaten Fälle von Ungleichbehandlung nach den Merkmalen und Zuschreibungen, die zur Diskriminierung geführt haben, differenziert zu erfassen. So kann sichtbar gemacht werden, welche Menschen in einem bestimmten Kontext welche Formen der Ungleichbehandlung erleben. Andererseits erlauben zusätzliche Fragen nach positiven Selbstidentifikationen (bspw. Romnja, jüdisch, Schwarz, türkisch-deutsch) eine weitere, tiefer-gehende Analyse von strukturellen Ausschlüssen. Beide Arten von Daten – Diskriminierungsdaten und Selbstidentifikationsdaten – können zudem entweder als disaggregierte Gruppendaten für große Bevölkerungsgruppen erhoben werden (bspw. in einem Zensus) oder spezifisch innerhalb einer Organisation. Disagreggierte Gruppendaten dienen dabei als Bewertungsgrundlage für die Analyse organisationsinterner Daten.

Unbedingt! Gerade aufgrund der deutschen Geschichte ist es wichtig, dass sehr genau darauf geachtet wird, ob und wie institutionelle Diskriminierung bestimmte Gruppen routinemäßig benachteiligt. Gerade das Entwickeln und Anwenden von Gleichstellungsdaten – in Übereinstimmung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung – ist daher die Umsetzung einer zentralen “Lektion” der deutschen Geschichte. Zentral dabei ist, dass eine solche Form der Datenerhebung Individuen vor Nachteilen schützt, gerade indem sie Ungleichbehandlung und Diskriminierung differenziert erfassbar macht. Dies lässt sich durch die Anwendung der 6 Kernprinzipien (s.o. “Ist das nicht illegal? Darf man das?”) gewährleisten.

Wie für öffentliche Institutionen, so gilt auch für Unternehmen, dass sie auf Gleichstellungsdaten angewiesen sind, wenn sie inklusivere Strukturen aufbauen möchten  (s.o.: “Warum brauchen wir Gleichstellungsdaten?”). Zahlreiche Studien deuten zudem auf die Bedeutung von Diversität und inklusive Organisationen für die Geschäftsentwicklung hin. So verzeichnen bspw. Unternehmen mit vielfältigen Führungsteams höhere Einnahmen als Unternehmen mit weniger diversen Führungsteams. Im Bereich des Gendermainstreaming waren wichtige Fortschritte durch die Erhebung von Gleichstellungsdaten möglich; um zukünftig sicherzustellen, dass die gesamte vielfältige Belegschaft von Unternehmen ihre Fähigkeiten einbringen können, braucht es über die Erhebung von Gender hinaus differenziertere Daten.

Der Schutz vor rassistischer Diskriminierung ist ein Menschenrecht. Nach Artikel 1 Absatz 1 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung umfasst diese "jede auf der [Anm.: zugeschriebenen] Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird". Somit bezieht sich rassistische Diskriminierung explizit auch auf den Effekt von Handlungen und Prozessen, die keiner rassistischen Intention unterliegen. Laut Bundesregierung ist diese Definition rassistischer Diskriminierung geltendes Recht in Deutschland. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Fall „D.H. und andere gegen die Tschechische Republik“ Gleichstellungsdaten als Beweis für Diskriminierung anerkannt.

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