TEIL DER LÖSUNG: 
ANTIDISKRIMINIERUNGS- UND GLEICHSTELLUNGSMONITORING

Drei Mitarbeitende bei der Besprechung über Daten.

Oft wird Kanada als multikulturelles und tolerantes Vorzeigeland zitiert, als gäbe es so etwas wie eine „natürliche” kanadische Offenheit. Dabei wird oft vergessen, dass Kanada seit Jahren durch Instrumente wie dem Employment Equity Act Vorgaben entwickelt hat, die nun ihre Wirkung entfalten. 

Ein ähnliches Instrument gibt es in Deutschland für die Förderung von Frauen: Im öffentlichen Dienst gibt es aufgrund von Gleichstellungsgesetzen Quoten; Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten werden erhoben, um Zielvorgaben festzuhalten und Erfolge zu überprüfen. Hier hat es die Frauenbewegung geschafft, ihre Forderungen in die Institutionen zu tragen. Der Prozess der „Integration” von Frauen in Verwaltungen und Unternehmen wird nicht länger dem Zufall überlassen – er ist professionalisiert und statistisch untermauert. 

Wie beschrieben hindern in der deutschen Einwanderungsgesellschaft strukturelle und intersektionale Diskriminierungsmechanismen wachsende Bevölkerungsgruppen an einer vollen und gleichberechtigten Teilhabe. 

Daraus ergibt sich die Herausforderung und Chance, Erfahrungen und Expertisen aus bewährten Gleichstellungsinstrumenten, in denen seit Jahrzehnten routiniert Daten erhoben werden, auf weitere Diskriminierungsformen auszuweiten. Die Erfahrungen der Frauenförderung sind hier maßgeblich. Es ist jedoch festzuhalten, dass die umfassende Gleichstellung von Frauen in Deutschland noch lange nicht erreicht ist und daher weiterhin vorangetrieben werden muss. Dabei sollte die Frauenförderung intersektionaler werden und die Situation von Frauen, die beispielsweise aufgrund von Behinderung und/oder rassistisch diskriminiert werden, vermehrt berück- sichtigen. Gleichzeitig gilt es, diese Erfahrungen nun auf andere Gruppen und Diskriminierungsdimensionen zu übertragen. Die Erfahrung hat gezeigt: Die meisten Fördermaßnahmen für Frauen beziehen sich auf eine entsprechende statistische Datengrundlage. Daher gilt es gesamtgesellschaftlich, aber auch innerhalb von Organisationen, Verwaltungen und Unternehmen, ein differenziertes Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitoring zu etablieren, das als Grundlage für zukünftige Inklusionsmaßnahmen dienen kann. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten sind der Dreh- und Angelpunkt für ein solches Monitoring.

Die meisten Fördermaßnahmen für Frauen beziehen sich auf eine statistische Datengrundlage. Das zeigt: Ein differenziertes Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitoring ist auch die Grundlage für Maßnahmen in anderen Diskriminierungsdimensionen. 

Wir sind doch alle gleich! Die trügerische Falleder Farbenblindheit: Oft wird mit guter Absichtgesagt, man sehe keine Unterschiede zwischen Menschen. Dieser Ansatz – bekannt als „Colorblindness” oder „Farbenblindheit” – verkürzt Diskriminierung implizit auf individuelle, bewusstvorgenommene Handlungen und schafft einKlima, in dem es schwierig ist, erlebte Diskriminierung anzusprechen. Dies erschwert effektive Antidiskriminierungsmaßnahmen. Frauen werdenim Vergleich zu Männern auf dem Arbeitsmarktdiskriminiert; daher muss auch über die unterschiedlichen Erfahrungen von Menschen unter-schiedlichen Geschlechts gesprochen werden.Das Gleiche gilt für rassistische Diskriminierung:„Farbenblind” zu sein führt dazu, die Diskriminierungserfahrungen der Schwarzen, arabischen,asiatischen und anderer Communities of Color zuignorieren.Das bedeutet im Umkehrschluss selbstverständlich nicht, der rassistischen Aussage zuzustimmen, alle Menschen aus diesen Gemeinschaftenhätten gleiche Eigenschaften. Es empfiehlt sich hingegen, die spezifischen, kollektiven Erfahrungen unterrepräsentierter und diskriminierterGruppen anzuerkennen und auch Privilegien anderer Gruppen zu benennen. 

Was sind Antidiskriminierungs-und Gleichstellungsdaten? 

Die Diskussion zu Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ist in Deutschland noch relativ jung, daher gibt es noch keine allgemein anerkannte Definition. Auf europäischer Ebene heißt es in dem 2016 veröffentlichten European Handbook on Equality Data: 

„The notion of equality data is used in this handbook in reference to any piece of information that is useful for the purposes of describing and analysing the state of equality.
The information may be quantitative or qualitative in nature. The main focus is on equality statistics, by which are meant aggregate data that reflect inequalities or their causes or effects in society.” 

Und auch: 

„Equality data refers to anonymous data in relation to equality and discrimination collected for statisti- cal and evidence purposes and excluding the identification of natural persons concerned. Such data contributes to the fight against discrimination and promotes equality by providing evidence of existing discrimination, making it transparent and quantifying it.” 

Diskriminierungsdimensionen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
• Rasse oder ethnische Herkunft 
• Geschlecht
• Religion oder Weltanschauung 
• Behinderung 
• Alter 
• Sexuelle Identität 

Weitere Diskriminierungsdimensionen 
• Soziale Herkunft 
• Diskriminierung in Bezug auf das Körpergewicht 

Der Begriff Gleichstellungsdaten kann somit sehr weit gefasst werden und grundsätzlich alle qualitativen und quantitativen Daten und Informationen beschreiben, die hilfreich sind, um den Status quo von Gleichberechtigung zu beschreiben und Diskriminierung bzgl. aller Diskriminierungsdimensionen transparent zu machen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes definiert Gleichstellungsdaten hingegen spezifischer als Daten, die mit der Intention erhoben werden, Diskriminierung zu vermindern. Gleichstellungsdaten sind demnach: 

„Daten, die mit dem Ziel erhoben werden, systematische Benachteiligungen sichtbar zu machen und Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen zu können.” 

In der Vergangenheit wurden solche Daten vor allem in Bezug auf das Geschlecht erhoben. So konnte zum Beispiel belegt werden, dass Frauen im Beruf diskriminiert werden. Das zeigt sich unter anderem daran, dass viel weniger Frauen eine Führungsposition innehaben als Männer.

Der Begriff Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten kann weit gefasst werden und alle qualitativen und quantitativen Daten beschreiben, die hilfreich sind, um den Status quo von Gleichberechtigung zu beschreiben und Diskriminierung zu vermindern.

Diese Art der Aufarbeitung von Gleichstellungsdaten hat u. a. sichtbar gemacht, dass Frauen nicht angemessen repräsentiert sind und auf dem Arbeitsmarkt sexistisch und rassistisch diskriminiert werden. Zudem sind sie auch grundlegend für neuere Gleichstellungsmaßnahmen, wie dem seit 2018 gültigen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Das Gesetz begründet einen Auskunftsanspruch für Beschäftigte in großen Betrieben, um zu erfahren, wie Kollegen für gleichwertige Arbeit bezahlt werden. Dies zeigt: Es ist nicht nur entscheidend, ob Frauen repräsentiert sind, sondern auch wie. Daten können helfen, diskriminierende Behandlungen aufzudecken und zu verringern, wenn alle schwarz auf weiß sehen: Frauen sind nicht ausreichend und angemessen repräsentiert bzw. erhalten nicht den gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Gleichstellungsdaten sind also Daten,die zum Beispiel deutlich machen,welche Personen bestimmte Jobsbekommen oder eben nicht.

Gleichstellungsdaten sind also Daten, die zum Beispiel deutlich machen, welche Personen bestimmte Jobs bekommen oder eben nicht. In einem zweiten Schritt dienen Gleichstellungsdaten dazu, bestehende Ungleichbehandlung durch gezielte Maßnahmen abbauen zu können, durch sogenannte positive Maßnahmen, die u. a. auch in § 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorgesehen sind. 

Sprachlich empfiehlt sich als Übersetzung des englischen „equality data” und in Anlehnung an das Konzept der tatsächlichen – nicht nur symbolischen – „Gleichstellung” von Männern und Frauen im Deutschen von „Gleichstellungsdaten” zu sprechen. Zudem erlaubt der Vorsatz „Antidiskriminierungsdaten” darauf zu verweisen, was verhindert werden soll: Diskriminierung. Die Benennung soll darüber hinaus auch den Befragten den Sinn und Zweck der Datenerhebung vermitteln. 

Zukünftig sollten Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten erhoben werden, die neben der Diskriminierung von Frauen auch andere Benachteiligungen, z. B. rassistische Diskriminierung, erfassen. 

Welche Arten von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten gibt es?

Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten erlauben als Oberbegriff in ihrer Gesamtheit einen Aufschluss über Diskriminierungsdynamiken und Handlungsoptionen für mehr Gleichberechtigung. Wie in der Tabelle auf S. 26 dargestellt, unterscheiden sich verschiedene Arten von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten u. a. in Bezug auf die Positionierungsperspektive, den Fokus der zu treffenden Aussagen, den Erhebungskontext, den methodischen Fokus und die Auflösung der Variablen. Eine bekannte und breit verwendete Unterart dieser Daten sind die Diskriminierungsdaten. Sie geben Auskunft darüber, ob beispielsweise sexistische oder rassistische Diskriminierung zu Grunde liegt. Entscheidend bei dieser Art der Daten sind diskriminierungsrelevante Zuschreibungen. So kann eine Frau aus der Türkei beispielsweise antimuslimischen Rassismus erfahren, auch wenn sie Atheistin ist, sobald sie von anderen Menschen als Muslima wahr- genommen wird. Im Diskriminierungskontext ist entscheidend, was andere Menschen dieser Frau zuschreiben und weniger, was sie selbst über sich denkt. Diskriminierungsdaten erlauben es, Fälle von Ungleichbehandlung nach den Zuschreibungen und Merkmalen, die zur Diskriminierung geführt haben, differenziert zu erfassen. So kann sichtbar gemacht werden, welche Menschen in einem bestimmten Kontext welche Formen der Ungleichbehandlung erleben. Zu berücksichtigen sind neben den im All- gemeinen Gleichbehandlungsgesetz erwähnten Diskriminierungsdimensionen u. a. auch die (teils zugeschriebene) soziale Herkunft (Klassismus) und auch Diskriminierung in Bezug auf das Körpergewicht. Neben Diskriminierungsdaten, die auf Fremdzuschreibungen basieren, umfassen differenzierte Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten auch zusätzlich die Erfassung von positiven Selbstidentifikationen (bspw. Romnja, jüdisch, Schwarz, türkisch-deutsch, arabisch), sogenannte Selbstidentifikationsdaten. Die Verknüpfung beider Positionierungsperspektiven erlauben eine tiefgehende Analyse von strukturellen Ausschlüssen, da sowohl Fremdwahrnehmungen abgebildet werden als auch Auskunft darüber gegeben wird, wie sich die Befragten selbst sehen. 

Die Verknüpfung von Fremdzuschreibungen und Selbstidentifikationerlaubt eine tiefgehende Analyse vonstrukturellen Ausschlüssen.

Ferner lassen sich verschiedene Erhebungskontexte unterscheiden. So können Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten beispielsweise sowohl durch Personalbefragungen als auch in klassischen Diskriminierungsberatungsstellen oder auch in großen wissenschaftlichen Surveys wie dem sozioökonomischen Panel generiert werden. 

DIFFERENZIERUNGSMERKMALE VON ANTIDISKRIMINIERUNGST UND GLEICHSTELLUNGSDATEN 
 
Positionierungsperspektive 
gibt an, ob die Fremdzuschreibung und/oder Selbstidentifikation erhoben wird 
• Positive Selbstidentifikation (z. B. „ich bin Atheistin”) bzgl. der zu Grunde liegenden Vielfaltsdimension 
• Auto-Hetero-Perspektive (z. B. „andere Menschen sehen in mir eine Muslima”) bzgl. der zu Grunde liegenden Diskriminierungsdimension 
 
Fokus der Aussage
• Aussagen über einen bestimmten Bereich (z. B. „im Gesundheitssektor…”) 
• Vergleich von normprivilegierten und diskriminierten Gruppen (z. B. Gehalt von Männern und Frauen) 
• Gesamte Gesellschaft (z. B. unter allen 18 Jährigen identifizieren sich X % als weiblich) 
 
Typische/mögliche Erhebungskontexte
• Personalumfragen 
• Diskriminierungsberatungsstellen und Testings 
• Große wissenschaftliche Surveys 
 
Art der Daten / Methodischer Fokus
• Quantitative Daten (z. B. Umfragen unter vielen Menschen mit geschlossenen Antwortkategorien, um fehlende Repräsentation als Indiz für Diskriminierung zu erfassen) 
• Qualitative Daten (z. B. offene Antwortkategorien oder Einzelinterviews, um spezifischen Mechanismus der Diskriminierung besser zu verstehen) 
 
Auflösung der Variablen 
gibt an, wie geeignet die Befragungsergebnisse/ Antworten sind, um Zusammenhänge zu beweisen oder nachzuvollziehen 
• Wenige Proxy-Variablen (Annährungsvariablen), wie z. B. „Migrationshintergrund” anstelle von Fragen zu rassistischer Diskriminierung 
• Mehrere, differenzierte Variablen (z. B. zu Diskriminierungserfahrung und Selbstidentifikation)
 
Darüber hinaus lässt sich unterscheiden, ob Aussagen über einen spezifischen Bereich getroffen werden (z. B. die Situation von Frauen türkischer Herkunft im Gesundheitssektor) oder ob Gruppen verglichen werden (z. B. normpriviligierte Gruppen im Vergleich zu diskriminierten Gruppen). 

Liegen die entsprechenden Daten vor, können diese Aussagen ins Verhältnis zur gesamten Bevölkerung gesetzt werden (z. B. in Deutschland leben 51 % Frauen). Wenn beispielsweise aus dem Mikrozensus abgeleitet Aussagen über den Anteil von Frauen türkischer Herkunft an der Gesamtbevölkerung getroffen werden, kann dies als Vergleichsmaßstab für Erhebungen innerhalb einer spezifischen Organisation oder eines spezifischen Bereichs (z. B. dem Wohnungssektor) dienen. 

Methodisch betrachtet können Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten mit Fokus sowohl auf Diskriminierungsmechanismen als auch auf Häufigkeiten erhoben werden. Liegt das Augenmerk auf Diskriminierungsmechanismen, empfehlen sich qualitative Erhebungen zum Beispiel in Form von Einzelinterviews, Fokusgruppengesprächen oder Befragungen mit offenen Fragen. 

Liegt der Schwerpunkt auf Häufigkeiten, werden sogenannte quantitative Daten erhoben. Dafür eignen sich Umfragen unter vielen Teilnehmenden mit geschlossenen Antwortmöglichkeiten, um bspw. fehlende Repräsentation oder Zugangsbarrieren als Indiz für Diskriminierung von Gruppen zu erfassen. Beide Arten von Daten ergänzen sich dabei idealerweise gegenseitig. So können sowohl Häufigkeiten als auch spezifische Mechanismen und Praktiken der Diskriminierung erfasst werden. 

Ungeachtet der aufgezeigten Möglichkeiten ist festzuhalten, dass Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten in Deutschland bisher wenig differenziert erfasst werden. So wird das Geschlecht meist binär abgefragt (Mann/Frau), obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt hat, dass Geschlecht ein Kontinuum ist, bzw. dass mindestens eine weitere Kategorie berücksichtigt werden muss.31 So mahnen Selbstorganisationen schon lange eine differenziertere Erhebung von Geschlecht durch Einbezug von Trans*- und Inter*- perspektiven an. Ähnliches gilt für rassistische Diskriminierung, die selten explizit erhoben wird. Das führt dazu, dass meistens sogenannte Proxy-Variablen (Annäherungsvariablen), wie z. B. der in diesem Kontext unzureichende „Migrationshintergrund” an- stelle von Fragen zu rassistischer Diskriminierung verwendet werden. 

Warum brauchen wir Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten? 

Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ermöglichen es, auf eine tatsächliche Gleichstellung von Menschen in Bildung und Beruf, Gesundheit und Gerichtsbarkeit sowie vielen anderen Lebensbereichen hinzuarbeiten. Sie sind damit eine Voraussetzung, um Gleichstellung und gleiche Chancen in öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen sowie Unternehmen sicherzustellen. Denn durch die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten kann aufgezeigt werden, inwieweit einzelne Diskriminierungserfahrungen sich wiederholen und somit ein Symptom von strukturellen Benachteiligungen sind, die verhindern, dass bestimmte Menschen in den betreffenden Institutionen gleichberechtigt behandelt werden. 

Ein Beispiel für die Notwendigkeit und ersten Erfolge von Gleichstellungsdaten ist wie oben ausgeführt die gezielte Förderung von Frauen im Rahmen von Strategien zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit. Diese zeigen: Es ist möglich, struktureller Benachteiligung mit gezielten Maßnahmen entgegenzuwirken – wenn zuvor erfasst wurde, wie sich Diskriminierung konkret äußert. 

Durch die Erhebung von Daten kannaufgezeigt werden, inwieweit einzelne Diskriminierungserfahrungen sich wiederholen und somit ein Symptom von strukturellen Benachteiligungen sind.

Diese Erfolge bedeuten nicht, dass Diskriminierung von Frauen nun nicht mehr stattfindet – aber sehr wohl, dass sie immer weniger geduldet wird. Daten, die Diskriminierung von Frauen sichtbar machen, sind dabei eine wichtige Grundlage für Gesetze und Fördermaßnahmen, die die Benachteiligung von Frauen vermindern sollen. Auch bei anderen Bevölkerungsgruppen, von denen die Forschung zeigt, dass sie nach wie vor Diskriminierung – insbesondere in Form von strukturellen Ausschlüssen – erfahren, sollten vergleichbare Maßnahmen ergriffen werden.

Grund zur Hoffnung: Das Beispiel Geschlechter-Gerechtigkeit

Früher hieß es in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Mit der Verfassungsreform 1994 wurde ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Durch diesen Zusatz erkennt der Staat die Benachteiligung von Frauen nicht nur an, er macht es sich auch zum Ziel diese abzubauen. 

„Der Staat fördert die tatsächlicheDurchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern undwirkt auf die Beseitigung bestehen-der Nachteile hin.“ GG Art. 3 Abs. 2

Der Artikel verfestigt einen Gleichstellungsauftrag und verpflichtet noch deutlicher als vorher zur Umsetzung positiver Maßnahmen. Dieser Erfolg hin zu einer inklusiveren Gesellschaft basiert vor allem auf der Schaffung eines Problembewusstseins. Dieses ist Grundlage für verpflichtende und wirkungsvolle Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung. Die Erhebung und Kommunikation von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten über die gesellschaftliche Repräsentation und Diskriminierung von Frauen war ein entscheidendes Werkzeug in diesem politischen Prozess. 

Zu den bekanntesten Beispielen zur Gleichstellung von Frauen, die alle auf der Erhebung von entsprechenden Daten basieren, gehören die Gleichstellung von Männern im Frauen im öffentlichen Dienst (Bundesgleichstellungsgesetz BGleiG) und das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen (FührposGleichberG). Letzteres verpflichtet börsennotierte Unternehmen, bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat einen Frauenanteil von 30 Prozent zu erreichen. Das Anfang 2018 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) macht deutlich, dass es einer regelmäßigen gesetzgeberischen Regulierung und Justierung bedarf, um die Durchsetzung von Gleichstellungszielen zu ermöglichen. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten zeigen nicht zuletzt auch die Lücken in bestehenden Gesetzen auf und sind damit ein wichtiger Baustein zu deren steter Weiterentwicklung.

Daten als Grundlagefür positive Maßnahmen

Das Beispiel der Gleichstellung von Männern und Frauen zeigt, wie wichtig ein geschärftes Problembewusstsein für Diskriminierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen ist. Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen müssen sich aktiv dafür einsetzen und Ideen wie Gleichstellung aktiv fördern, entwickeln und diese in konkrete Maßnahmen umsetzen, damit Privilegien abgebaut werden können. 

Diese Erkenntnisse lassen sich auf andere von Diskriminierung betroffene Gruppen übertragen. So braucht es auch im Bereich rassistische Diskriminierung ein Problembewusstsein und positive, spezifisch-fördernde Maßnahmen von Gruppen, die diskriminiert werden. Nur dann erhalten alle Menschen die Möglichkeit, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. 

Positive Maßnahmen sind alle Aktivitäten, die implementiert werden, um in der Praxis eine vollständige und effektive Chancengleichheit für alle Mitglieder der Gesellschaft bzw. einer Organisation zu gewährleisten, die benachteiligt sind oder anderweitig die Folgen vergangener oder gegenwärtiger Diskriminierung zu erleiden haben. 

Anwendungsbeispiele aus der Praxis von Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership 

Fallbeispiel 1: Personalumfragen 

Die Anwendung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ist v. a. aus dem Personalbereich bzw. der Diskussionen zur Repräsentation von Frauen in Führungspositionen bekannt. Ausgehend von einer rassismuskritischen Betrachtung dieses Diskurses haben wir als Projektteam von Vielfalt entscheidet eine Pilotstudie zu den Erfahrungen von Führungskräften der Berliner Verwaltung und landeseigenen Unternehmen mit der Förderung von Vielfalt und Chancengerechtigkeit umgesetzt. Dafür haben wir ein Befragungsinstrument entwickelt, mit dem erstmals alle Dimensionen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes differenziert erfasst und ausgewertet werden können. Die Ergebnisse ermöglichen u. a. einen Einblick in Diskriminierungserfahrungen, Handlungsbedarfe und Erfahrungen mit Diversity Strategien. Neben Umfragen in der Verwaltung sind ähnliche Szenarien in klassischen Mitarbeiter*innenumfragen in Unternehmen denkbar, die die Zufriedenheit ihrer Angestellten erheben und dabei Diskriminierungserfahrungen berücksichtigen wollen. 

Fallbeispiel 2: Zugang zu Fördermitteln 

Der Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung fördert Kooperationsprojekte von Künstler*innen und Bildungsträgern, die für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene neue Zugangsmöglichkeiten zu Kunst und Kultur schaffen. Jährlich werden etwa 2 Millionen Euro vergeben. Davon haben seit 2008 mehr als 100.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene profitiert, die in über 2.200 Projekten und Programmen Erfahrungen mit künstlerischer Tätigkeit sammeln konnten. Das Berliner Modell setzt auf die Kooperation von mindestens zwei Partner*innen: je eine*n aus dem Bereich Kunst/Kultur und je eine*n aus den Bereichen Bildung oder Jugend. Konkret werden Vorhaben zwischen Künstler*innen, Kunsthäusern oder Kultureinrichtungen gemeinsam mit Schulen, Kitas, Kinder- oder Jugendfreizeiteinrichtungen oder Jugendkulturzentren konzipiert und umgesetzt. Der Projektfonds durchläuft seit 2016 eine diversitätsorientierte Weiterentwicklung, um auch neue Akteure zu erreichen, die bislang in der Förderlandschaft unterrepräsentiert sind. Um diesen Prozess zu unterstützen, erheben wir unter allen Antragsteller*innen in allen drei Fördersäulen Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten entlang aller im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geschützten Diskriminierungsdimensionen. Die Auswertung macht deutlich, welche Hürden im Antragsprozess bestehen, welche Gruppen noch unterrepräsentiert sind und wie die Förderung inklusiver gestaltet werden kann. 

Fallbeispiel 3: Campus Climate Survey 

Für die Universität Potsdam haben wir eine Befragung entwickelt und durchgeführt, welche die Hürden und Bedürfnisse von Doktorand*innen eines Promotionskollegs identifiziert. Das Umfrageinstrument kann auch als Grundlage für zukünftige Inklusionsmaßnahmen und diversitätsorientierte Campus Climate Surveys im Hochschulsektor weiterentwickelt werden.