Häufig gestellte Fragen

Anknüpfend an die Forderung vor allem aus der Zivilgesellschaft, dass sich die Diversität der Gesellschaft jedenfalls in allen Einrichtungen mit gemeinwohlorientiertem Bildungsauftrag widerspiegeln sollte, stellt sich die Frage nach empirischen Daten – wer ist eigentlich wie und wo repräsentiert. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, welche Maßnahmen effektiv Diversität in Institutionen fördern – und wie etablierte Strukturen und Routinen abgebaut werden können, die bewusst oder unbewusst zu Ausschlüssen von bestimmten Personen und Gruppen führen.

Was ist mit Diversität gemeint?

In Anlehnung an den erweiterten Inklusionsbegriff, der sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ableitet, bietet sich ein umfassendes Verständnis von Diversität an, dass bspw. neben Dimensionen wie Geschlecht, Herkunft, Beeinträchtigung und sexueller Identität Teilhabe und Repräsentation als politische Zielvorgaben setzt. Förderung von Diversität im Sinne von Inklusion meint also den Abbau aller einstellungs, struktur- und prozessbedingten Barrieren, die bezwecken oder bewirken, dass Individuen oder diskriminierte Gruppen umfassend, wirksam und gleichberechtigt an der Gesellschaft und ihren Institutionen teilhaben können.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt entsprechend in § 1 als Ziel vor:

„Benachteilungen aus Gründen der Rasse [einer rassifizierenden Zuschreibung] oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“.

Warum brauchen wir Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten

Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ermöglichen, auf eine tatsächliche Gleichstellung von Menschen in Bildung und Beruf, Gesundheit und Gerichtsbarkeit sowie vielen anderen Lebensbereichen hinzuarbeiten. Denn durch die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten kann aufgezeigt werden, inwieweit einzelne Diskriminierungserfahrungen sich wiederholen und somit ein Symptom von strukturellen Benachteiligungen sind, die verhindern, dass bestimmte Menschen in den betreffenden Institutionen gleichberechtigt behandelt werden.

Ein Beispiel für die Notwendigkeit und die ersten Erfolge der Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten lassen sich im Rahmen der Strategien zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit aufweisen. Hierbei hat die Datenerhebung gezeigt, wie sich Diskriminierung konkret äußert, und welche Maßnahmen sich daraus zum Abbau von struktureller Benachteiligung ergeben.

Dies bedeutet nicht, dass Diskriminierung von Frauen nicht mehr stattfindet – aber sehr wohl, dass sie immer weniger geduldet wird. Daten, die Diskriminierung von Frauen sichtbar machen, sind eine wichtige Grundlage für weitreichende Gesetze und Fördermaßnahmen. Auch bei anderen strukturell wie institutionell diskriminierten Gruppen ist es notwendig, vergleichbare Maßnahmen zu ergreifen.

Ist das laut Datenschutz nicht illegal?

Nein, im Gegenteil: Die deutsche Bundesregierung hat die UN-Anti-Rassismuskonvention („Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung”, kurz ICERD) ratifiziert und wurde 2015 erneut von dem zuständigen Komitee mahnend darauf hingewiesen, Daten über die nach ICERD schutzwürdigen Gruppen (von Rassismus betroffene Gruppen) zu erheben, um ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Der Datenschutz sollte und muss jedoch bei der Erhebung differenzierterer Daten unbedingt eingehalten werden, nicht zuletzt, da es sich dabei oft um sogenannte „besondere Arten personenbezogener Daten” (Art. 9 Abs. 1 DSGVO bzw. § 4 Nr. 2 KDG) – also besonders sensible Daten – handelt, deren Erhebung und Verarbeitung nach EU-, Bundes- und Landesdatenschutzvorgaben nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist.

Unter welchen besonderen Schutzmaßnahmen werden Antidiskriminierungs- und Gleichstellungs- daten erhoben?

Für die Erhebung der Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten wurden auf europäischer Ebene im Rahmen der sogenannten Equality Data Initiative sechs Kernprinzipien mit unterschiedlichen diskriminierten Gruppen in sieben europäischen Ländern entwickelt. Die Befolgung dieser Prinzipien ist hilfreich, um wichtige rechtliche Rahmenbedingungen auf europäischer und deutscher Ebene einzuhalten. Diese umfassen z. B. Artikel 8 Absatz 2 der europäischen Datenschutzrichtlinie sowie auf nationaler Ebene das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Was sind die Kernprinzipien für die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten?
  1. Die Selbstidentifikation der Befragten. Das heißt, die Befragten können selbst angeben, wie sie sich identifizieren. Diese Selbstidentifikation kann sich durchaus von der Fremdzuschreibung durch Dritte unterscheiden.
  2. Die Freiwilligkeit der Teilnahme. Das heißt, die Befragten müssen der Datenerhebung zustimmen.
  3. Die Aufklärung über Sinn und Zweck der Datenerhebung.
  4. Die Anonymität bei der Datenerhebung. Das heißt, dass die Daten anonym erhoben oder so verarbeitet werden, dass im Anschluss nicht mehr nachvollziehbar ist, welche Person, welche Antwort gegeben hat.
  5. Die Beteiligung von Vertreter*innen von diskriminierten Gruppen am Prozess der Datenerhebung, -analyse und -verbreitung. Das heißt, die von Diskriminierung betroffenen Gruppen werden einbezogen, wenn es um die Entwicklung von Kategorien und Fragen geht, die z. B. der Identifikation einer Behinderung oder der zugeschriebenen „ethnischen” Abstammung dienen.
  6. Die Möglichkeit, mehrere Identitäten, Diskriminierungsgründe und Fremdzuschreibungen zu wählen. Diese sollten intersektional ausgewertet werden.
    Darüber hinaus empfehlen Expertinnen aus der Sintizze und Rom*nja-Community in Deutschland, dass sich Forschende dem „Prinzip der Nichtschädigung” verpflichten, damit Daten nicht missbraucht werden. Daraus ergibt sich ein siebtes Kernprinzip:
  7. Die Einhaltung aller an der Datenerhebung, -auswertung und -anwendungen Beteiligten des Prinzips der Nichtschädigung. Dies wird u. a. durch die Zweckgebundenheit der Forschung gestärkt. So soll sichergestellt werden, dass Daten, die zum Schutz strukturell benachteiligter Gruppen durch differenzierte Erfassung von Diskriminierung erhoben wurden, nicht missbraucht werden.
Ist eine solche Datenerhebung trotz der deutschen Geschichte möglich?

Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist es wichtig, dass sehr genau darauf geachtet wird, ob und wie strukturelle sowie institutionelle Diskriminierung bestimmte Gruppen fortlaufend benachteiligt. Besonders das Entwickeln und Anwenden von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten – in Übereinstimmung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Prinzip der Nichtschädigung – ist daher besonders relevant. Denn Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten zwingen Menschen nicht in diskriminierende, statische Schubladen, sondern erfassen die wandelbare Realität erlebter Diskriminierung. Zentral dabei ist, dass die Datenerhebung strukturell benachteiligte Gruppen schützt, gerade indem sie Ungleichbehandlung und Diskriminierung differenziert erfassbar macht. Dies lässt sich durch die Anwendung der – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte erarbeiteten – oben genannten sieben Kernprinzipien gewährleisten.

Reicht es nicht aus, „Migrationshintergrund“ als Kategorie zu erheben, um Diskriminierungs- erfahrungen aufgrund von rassifizierenden Zuschreibungen und deren Verschränkungen mit anderen Kategorien zu erfassen?

Der Migrationshintergrund reicht zur Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten nicht aus, da er nicht alle Menschen erfasst, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. So leben in Deutschland immer größere Bevölkerungsgruppen – z. B. Nachkommen in der dritten oder vierten Einwanderer*innengeneration – die durch den Migrationshintergrund nicht erfasst werden können, da dieser meist nur die zweite Generation einschließt. Die Forschung zeigt auch: Je länger Familien und ihre Nachkommen in Deutschland leben, desto schwieriger – wenn nicht sogar unmöglich – wird es, sie durch den Migrationshintergrund zu erfassen. Daher fragt die Erhebung die Selbstidentfikation der Befragten sowie wahrgenommene Fremdzuschreibungen ab.

Warum die Unterscheidung zwischen Menschen - anhand von Kategorien?

Weil Diskriminierung real ist: Menschen werden u. a. dadurch diskriminiert, dass sie von anderen „in eine Schublade gesteckt” und aufgrund dieser Zuschreibungen schlechter behandelt, abgewertet oder zum Beispiel für weniger intelligent gehalten werden. Dies kann bewusst oder unbewusst, im persönlichen Umgang sowie „unpersönlich” durch Verfahren oder Regeln geschehen, die im Endeffekt bestimmte Menschen benachteiligen (bspw. Frauen), oder bevorzugen (bspw. Männer). Die Folge von Diskriminierung ist, dass Unterscheidungen materielle Konsequenzen haben, woraus die Notwendigkeit entsteht, sowohl die Benachteiligten als auch die Bevorzugten intersektional zuerfassen und klar zu benennen. Wenn wir Ungleichbehandlungen nicht wahrnehmen und durchDatenerhebungen nicht sichtbar machen, können wir insbesondere die Menschen nicht schützen undempowern, in deren Leben sich mehrere Kategorien überlappen und zusammenwirken, zum Beispielweil sie als asiatische Frauen oder Schwarze Trans*personen mit einer Behinderung bzw.Beeinträchtigung auf eine bestimmte Weise diskriminiert werden.

Was ist Intersektionalität?

Um Diskriminierung umfassend in den Blick zu nehmen, ist entscheidend, neben bspw. sexistischer/ geschlechterbasierter oder rassistischer Diskriminierung auch weitere Diskriminierungsformen zu berücksichtigen. Denn Menschen vereinen viele unterschiedliche Identitäten in einer Person. So kann jemand zum Beispiel zugleich Frau, Schwarz, Arbeiterin sein und mit einer Behinderung bzw. Beeinträchtigung leben. In Bezug auf Diskriminierung bedeutet das, dass Personen häufig von verschiedenen Diskriminierungsformen gleichzeitig betroffen sind, die sich nicht einfach addieren lassen. Die unterschiedlichen Merkmale einer Person entwickeln vielmehr eine eigene Dynamik, sind mehr als die Summe ihrer Teile und bringen spezifische Diskriminierungserfahrungen hervor.

Wer entscheidet, wonach gefragt wird?

Um Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten zu erheben, sind differenzierte Fragebögen notwendig. Diese beinhalten unter anderem Fragen nach der teils zugeschriebenen Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. Eine Kategorie kann zum Beispiel türkisch-deutsch, weiß oder auch Sintizze und Romnja sein. Dabei stellt sich die Frage, wer darüber entscheidet, welche Kategorien in dem Frageinstrument aufgelistet werden. In Anlehnung an die sieben Kernprinzipien der Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten sollten die Kategorien im Austausch mit Vertreterinnen von benachteiligten und diskriminierten Gruppen entwickelt werden sowie mit Forscherinnen, die äußert sensibel vorgehen. Die Kategorien sind keine starren Schubladen, sondern den Gegebenheiten in Deutschland anzupassen, so wie dies bspw. auch in Kanada, Großbritannien und den USA praktiziert wird.

Ist es nicht rassistisch, Menschen in Kategorien einzuteilen?

Das ist eine berechtige Frage, da die Forschung durch bestimmte Begrifflichkeiten und Kategorisierungen maßgeblich zur Normalisierung rassistischer Ideen beigetragen hat. Bei der Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten geht es aber nicht darum, Menschen einer starren Identität/Kategorie zuzuteilen, auch nicht darum, Kategorien und Begriffe festzulegen, mit denen sich die Befragten auf Lebenszeit positiv identifizieren müssten. Stattdessen soll anhand empirisch fundierter Daten aufgezeigt werden, aufgrund welcher Zuschreibungen Menschen diskriminiert werden. So kann sich jemand selbst als Deutsche*r fühlen und bezeichnen, von anderen aber beispielsweise auf Grund seines*ihres Aussehens oder seines*ihres Glaubens als fremdbetrachtet werden. Bei der Erhebung werden die Befragten nicht nur nach ihrer Selbstidentifikationgefragt, sondern vor allem danach, wie andere sie nach ihrer Wahrnehmung sehen und aufgrundwelcher (Fremd-)Zuschreibungen sie diskriminiert werden. Die Kategorien sind demnach nicht starr, sondern situativ, diskriminierungsbezogen und somit wandelbar.

Warum sollte ich meine Erfahrungen erfassen lassen?

Von Diskriminierung betroffene Menschen könnten sich fragen, warum sie ihre Erfahrungen überhaupt erfassen lassen sollten. Diese Frage ist berechtigt. Denn bisher gibt es in Deutschland kein differenziertes Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmonitoring und keine unabhängige Beschwerdeinstanz, die Sanktionen aussprechen könnte. Alltagsdiskriminierung sowie strukturelle wie institutionelle Diskriminierung bleiben bisher meist folgenlos. Dies gilt es zu ändern, indem Diskriminierungserfahrungen systematisch erfasst werden. Denn die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ermöglicht, institutionelle wie strukturelle Diskriminierung, d. h. Muster der Diskriminierung jenseits von Einzelfällen abzubilden - die sich beispielsweise aus vermeintlich neutralen Gesetzen und Verfahren ergeben.

Beantwortet denn überhaupt jemand Fragen zum Kontext Diskriminierung?

Menschen beantworten diese Fragen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Fragen darauf ausgerichtet sind, ihre Erfahrungen sichtbar zu machen, anstatt sie undifferenziert zu stigmatisieren bzw. in Schubladen zu zwängen. Zu diesem Ergebnis kommt u. a. eine repräsentative, europaweite Sondererhebung des Eurobarometers (Nr. 263): 75 % der Befragten (N= 24.796) gaben an, dass sie es befürworten, Informationen über ihre zugeschriebene „ethnische Herkunft” anzugeben, wenn dies dazu dient Diskriminierung zu bekämpfen. In Deutschland befürworten 71 % der Befragten (N=1.570) eine solche Erhebung.

Was ändert es denn, Daten zu erheben?

Die Datenerhebung an sich ändert nichts, sie ist aber eine wichtige Voraussetzung für einen besseren Schutz vor Diskriminierung und Entwicklung von Diversitätssensibilität in Organisationen. Denn nur, wenn aufgezeigt wurde, in welcher Weise nicht nur Individuen, sondern gerade auch vermeintlich neutrale Institutionen, Verfahren und Prozesse Menschen unterschiedlicher (zugeschriebener) Gruppen in ungleicher Weise behandeln, kann institutionelle Diskriminierung sichtbar und bearbeitbar gemacht werden. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten einen fundierten Dialog über diversitätssensible Veränderungen diskriminierender Verfahren ermöglicht. Außerdem spielt die Datenerhebung eine wichtige Rolle für die betroffenen Gemeinschaften: Sie hilft, deren Erfahrungen sichtbar zu machen und damit ein Bewusstsein über das tatsächliche Ausmaß von Diskriminierung zu schaffen sowie darauf basierend Gleichstellungsmaßnahmen zu entwickeln. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten tragen dazu bei, das Bewusstsein gerade für die strukturelle wie institutionelle Dimension dieser Erlebnisse zu stärken.

Gibt es keine bessere Lösung, um gegen Diskriminierung vorzugehen und notwendige Sensibilisierungs- und Selbstreflexionsprozesse auf allen Ebenen zu fördern?

Die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ist keine Lösung, um Machtmissbrauch und Diskriminierung zu bekämpfen, sondern ein grundlegendes Werkzeug, um überhaupt systematische, proaktive Antidiskriminierungsmaßnahmen zu entwickeln. Die Erhebung ermöglicht eine Analyse des Ist-Zustands, die Planung von Interventionsmaßnahmen, ein fortlaufendes Monitoring sowie eine begleitende Evaluation bzw. entsprechende Nachsteuerung.