DAS PROBLEM: FEHLENDE DATEN ÜBER DISKRIMINIERUNG

Bereits ein kurzer Blick auf Passant*innen oder Mitreisende in Bus und Bahn zeigt: Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft. Diese Vielfalt ist seit Jahrzehnten alltägliche Realität in Deutschland. Sie spiegelt sich aber noch nicht in Verwaltungen und in Unternehmen wider. Die Belegschaften sind in der Regel sehr homogen. Ganze Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Menschen aus der arabischen oder türkischen Community, andere People of Color und/ oder Schwarze Menschen, sind in der öffentlichen Verwaltung oder im Management von Unternehmen selten und wenn, dann vor allem auf unteren Hierarchieebenen anzutreffen. Aber woran liegt das? Welche Ursachen und Auswirkungen hat diese Repräsentationslücke, wie stark ist sie ausgeprägt? Und was können Verwaltung und Unternehmen tun, um diese Lücke zu schließen? Um diese fehlende Repräsentation sichtbar zu machen, zu analysieren und schließlich Antworten auf diese Fragen zu finden, müssen Gleichstellungsdaten erhoben werden.  Nur so können zuverlässige Untersuchungen der gegenwärtigen Situation und zukunftsweisende Verbesserungen für die gesamte Gesellschaft konzipiert werden. 

Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft.
Diese Vielfalt spiegelt sich aber noch nicht in Verwaltungen und in Unternehmen wider. 

Der Begriff People of Color ist eine strategische Selbstbezeichnung für Menschen, die inwestlichen Gesellschaften Rassismus erfahren. Im US Kontext entstanden und im Rahmen der Civil Rights Kämpfe politisch neu bestimmt, findet der Begriff auch in Deutschland vermehrt Anwendung. 

So ist beispielsweise rassistische Diskriminierung nicht nur ein Verstoß gegen die Menschenrechte, sie hemmt zudem die Entwicklung hin zu einer Einwanderungsgesellschaft, die Chancengerechtigkeit für alle ihre Mitglieder gewährleistet. Zahlreiche Studien deuten auch auf die Bedeutung von Diversität und inklusiven Organisationen für die Geschäftsentwicklung hin. Beispielsweise verzeichnen Unternehmen mit vielfältigen Führungsteams eine höhere Produktivität als Unternehmen mit weniger diversen Führungsteams. 

Richtig eingesetzt sind Gleichstellungsdaten ein wichtiges Werkzeug, um Antidiskriminierungsmaßnahmenzu entwickeln und deren Wirkung zuüberprüfen.


Wie für öffentliche Institutionen, so gilt auch für Unternehmen, dass sie auf eine solide Datenbasis angewiesen sind, wenn sie beispielsweise vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Vielfalt jüngerer Generationen inklusivere Strukturen aufbauen möchten. Nur dann können sie sicherstellen, dass die gesamte Belegschaft ihre Fähigkeiten einbringen kann. Bezüglich der Einstellung von Frauen in Führungspositionen werden bereits wichtige Statistiken erhoben. Sie zeigen, dass Frauen in Führungspositionen dramatisch unterrepräsentiert sind. Die Untersuchungsergebnisse weisen auf einen Handlungsbedarf hin und ermöglichen somit die Entwicklung von Gegenmaßnahmen. Diese Sichtbarkeit durch Datenerhebung ist für andere diskriminierte Gruppen noch nicht gegeben – aber zur Verminderung ihrer Unterrepräsentation notwendig. Deshalb sollten zukünftig differenzierte Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten erhoben werden. Die Erhebung von Daten allein verringert Diskriminierung nicht und ist daher keine Lösung. Richtig eingesetzt bieten sie jedoch ein grundlegendes Werkzeug, um systematische, proaktive Antidiskriminierungsmaßnahmen zu entwickeln, anzuwenden und deren Wirkung zu überprüfen. Im Folgenden soll die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten am Beispiel von Daten zum Migrationshintergrund und rassistischer Diskriminierung genauer dargestellt werden. 

Was der Migrationshintergrund verrät


Für die Erfassung der Vielfalt in der Einwanderungsgesellschaft wird vor allem der Migrationshintergrund herangezogen, der erstmals 2005 im Mikrozensus auftauchte. Er ist somit eine recht junge Kategorie und in erster Linie keine Bezeichnung, die Menschen für sich selbst gewählt haben, sondern eine Erfindung des Statistischen Bundesamtes. Bevor es den „Migrationshintergrund“ gab, wurde dort zwischen „Ausländern“ und „Deutschen“ unterschieden. Diese Unterscheidung ließ sich nicht mehr aufrechterhalten, weil sie der Vielfalt der Gesellschaft nicht mehr gerecht wurde. Kinder, deren Eltern eingewandert waren, wurden als Deutsche geboren und sind auch rechtlich als solche definiert. Für die Statistik wurden sie dadurch zunehmend unsichtbar, weil sie dort unter der Kategorie „Deutsche” erfasst wurden, während ihre besondere Situation keine Berücksichtigung fand. Um zu verhindern, dass Eingebürgerte oder Nachkommen der 1. Einwanderergeneration für die Statistik unsichtbar werden, erhebt das Statistische Bundesamt seit 2005 im Mikrozensus die Kategorie „Personen mit Migrationshintergrund“, die Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte der 1. oder 2. Generation umfasst. Genauer gesagt ist der Migrationshintergrund eine sogenannte abgeleitete Variable. Personen werden im Mikrozensus nicht gefragt, ob sie einen Migrationshintergrund haben; dieser wird stattdessen aus der Antwort auf eine Reihe an Fragen zu der Person, den Eltern, der Staatsbürgerschaft etc. abgeleitet. Zudem umfasst der Migrationshintergrund lediglich Personen, die bzw. deren Eltern nach 1949 eingewandert sind.

Von den Menschen mit Migrationshintergrund sind ca. 52 % Deutsche und ca. 48 % Ausländer*innen.

Das Statistische Bundesamt definiert den Migrationshintergrund so: „Eine Person hat dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist. Zu den Personen mit Migrationshintergrund gehören im Einzelnen alle Ausländer, (Spät-)Aussiedler und Eingebürgerten. Ebenso dazu gehören Personen, die zwar mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind, bei denen aber mindestens ein Elternteil Ausländer, (Spät-)Aussiedler oder eingebürgert ist.“ 

Was der Migrationshintergrund nicht verrät 

In Deutschland leben viele Menschen – zum Beispiel Nachkommen der ehemaligen Einwanderer*innen in der dritten oder vierten Generation – die per Definition durch den Migrationshintergrund statistisch nicht erfasst werden können, da zum Beispiel bereits ihre Eltern als Deutsche geboren wurden. Aus zahlreichen Berichten wissen wir, dass diese Menschen – sei es auf der Straße oder im Bewerbungsgespräch – nach wie vor diskriminiert werden. Dazu gehören zum Beispiel auch Schwarze Menschen oder Sinti und Roma, deren Familien teilweise seit mehreren hundert Jahren in Deutschland leben. Das bedeutet, dass der Migrationshintergrund nur sehr bedingt darüber Aufschluss gibt, ob jemand Diskriminierungen ausgesetzt ist und benachteiligt wird. Die Lebenserfahrungen vieler Menschen sind somit für die Statistik und daraus abgeleitete Berichte und Maßnahmen nicht nachvollziehbar. Angesichts des anhaltenden demographischen Wandels wird die zu- nehmende Begrenztheit des Migrationshintergrundes zur Erfassung von Diskriminierung deutlich. Das zeigt: Für die Erhebung von differenzierten Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten reicht der Migrationshintergrund nicht aus, weil er per Definition nicht alle Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, erfasst. Denn eine Person kann zwar statistisch keinen Migrationshintergrund haben, aber trotzdem durch die Augen anderer Menschen bspw. als muslimisch oder Sintezza und damit vermeintlich fremd wahrgenommen werden. Menschen können auch auf Grund des Namens oder der Sprache als fremd und nicht weiß wahrgenommen werden, wenn diese nicht einer westlichen Norm entsprechen, und somit von rassistischer Diskriminierung betroffen sein. Grund für die Diskriminierung ist dabei die Zuschreibung der Diskriminierenden – so werden zum Beispiel auch Personen als Muslime diskriminiert, die Atheist*innen sind. 

Der Migrationshintergrund umfasst nicht alle Menschen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. Für die Erhebung von differenzierten Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten reicht er deshalb nicht aus.

Diese Lebenserfahrungen werden nicht durch den Migrationshintergrund erfasst. Umgekehrt gilt auch: Jemand kann einen Migrationshintergrund haben, gleichzeitig aber keine rassistische Diskriminierung erfahren, weil die Person als weiß und dazugehörig wahrgenommen wird, obwohl ein Elternteil aus Schweden eingewandert ist. 

In der diskriminierungskritischen Arbeit und Forschung werden Menschen als weiß bezeichnet, wenn sie in Bezug auf Rassismusnorm privilegiert sind. Der Begriff verweist somit auf „Weißsein“ als soziale Konstruktion, bei der es um Status und Hierarchie, nicht um biologische Kategorien geht. 

Der Migrationshintergrund ist also zunehmend unscharf, er sagt wenig darüber aus, ob eine Person rassistisch diskriminiert wird oder nicht. Differenzierte Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten ermöglichen es hingegen zu untersuchen, ob Ausschlüsse und Benachteiligungen unterschiedlicher Gruppen – auch über rassistische Diskriminierung hinaus – vorliegen und wie sie verringert wer- den können.

In Deutschland leben immer mehr Menschen, die rassistische Diskriminierung erfahren, ohne einen Migrationshintergrund zuhaben.

Der Begriff Migrationshintergrund ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Dennoch ist er aktuell noch eine relevante Kategorie. So findet er sich beispielsweise im Bayerischen Integrationsgesetz (BayIntG) und im Berliner Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration (PartIntG). Die auch in diesen Gesetzen anzutreffende Verengung von diskrimierungsrelevanter Vielfalt auf Migration macht deutlich: Es ist wichtig zu wissen, dass immer größere Gruppen in Deutschland Rassismus erleben, ohne einen „Migrationshintergrund” zu haben. 

Der Migrationshintergrund wurde als Kategorie notwendig, weil die zuvor verwendeten Kategorien „Ausländer*in” und „Deutsche*r” die sich wandelnde gesellschaftliche Realität zunehmend unzureichend abgebildet haben. Inzwischen trifft dies auch auf die Kategorie Migrationshintergrund selbst zu. So wie zuvor die Kategorie „Ausländer*in”, beschreibt der Migrationshintergrund weiterhin eine relevante Statusgruppe – allerdings ist sie als Indikator für Diskriminierung zunehmend ungeeignet. 

Angesichts der zunehmenden Vielfalt der deutschen Bevölkerung wird es notwendig, den konzeptionellen „Migrationismus” – die Idee, dass diskriminierungsrelevante Vielfalt in der deutschen Bevölkerung immer auf vor kurzem erfolgte Migration zurückzuführen sei – aufzugeben. Die Quelle diskriminierungsrelevanter Vielfalt in Deutschland ist in zunehmendem Maße die deutsche Bevölkerung selbst. Kategorien, die letztlich Antworten auf die Frage „Wo kommst du / Wo kommen deine Eltern/Großeltern her?” liefern, sind vor diesem Hintergrund zunehmend inadäquat. Sie sind darüber hinaus ungeeignet, Deutschlands menschenrechtliche Verpflichtungen zum Diskriminierungsschutz zu erfüllen. 

Was ist rassistische Diskriminierung und wer ist davon betroffen?

Im öffentlichen Diskurs, insbesondere auch in Verwaltungen, herrscht eine kontraproduktive Scheu, die auf einem fatalen Missverständnis beruht: Rassismus gilt als Unwort, das, wenn überhaupt ausgesprochen, für den rechten Rand reserviert ist. Dem liegt ein auf individuellen bösen Willen verkürztes Verständnis von Rassismus zugrunde. Ein angemessenes Verständnis von institutionellem Rassismus fehlt. Dabei steht auch für Deutschland seit über 50 Jahren menschenrechtlich fest: Rassismus lässt sich nicht auf individuelle Ideen und Intentionen beschränken. Besonders problematisch ist häufig der institutionelle Rassismus – also diejenigen Formen rassistischer Benachteiligung, die in Verfahren, Bürokratien, Konventionen und Seilschaften eingelassen sind, ohne dass irgendeine*r der Teilnehmen- den überzeugt oder bewusst rassistisch handeln müsste. 

Gerade in größeren Institutionen mit etablierten Verwaltungsprozessen steckt der Ausschluss dabei häufig im Detail und in der unhinterfragten Routine – die Herausforderung ist es, beides aufzubrechen und kritisch zu betrachten.

Auch für Deutschland steht seit über 50 Jahren menschenrechtlich fest: Rassismus lässt sich nicht auf individuelle Ideen und Intentionen beschränken.

Menschenrechtliche Definition rassistischer Diskriminierung

In der UN-Antirassismuskonvention wird rassistische Diskriminierung in Art. 1 auf eine Art und Weise definiert, die weit über ein verengtes Rassismusverständnis, das nur die individuelle Ebene betrachtet, hinausweist. Diese menschenrechtliche Definition bindet als anwendbares Bundesrecht insbesondere staatliche und öffentliche Einrichtungen direkt, da Deutschland die Konvention 1969 ratifiziert hat: 

„In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck ‚Rassendiskriminierung‘ jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.“ 

Die Definition beschränkt sich explizit nicht auf individuelle Intention (zum Beispiel rassistische Diskriminierung durch Menschen, die dies ausdrücklich zum Ziel haben), sondern umfasst gerade auch Beschränkungen oder Bevorzugungen, die – ob gewollt oder unbeabsichtigt – zur Folge haben, dass ganze Gruppen diskriminiert werden. 

Laut Bundesregierung sind in Deutschland vier Gruppen in besonderer Weisevon rassistischer Diskriminierung betroffen: Sinti und Roma, die jüdischeGemeinde, Schwarze Menschen undmuslimische Menschen bzw.Menschen, die als Muslimediskriminiert werden. 

Das umfasst selbstverständlich auch vermeintlich neutrale Regeln, Verfahren und Netzwerke in der Personalrekrutierung und -förderung, wenn sie Privilegien weiter verstärken. Fördermaßnahmen, die zum Ziel haben, vorhandene Diskriminierungen und ihre Folgen auszugleichen, sind laut UN Antirassismuskonvention Artikel 1 Absatz 1, aber auch gemäß § 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes von der Definition ausgeschlossen – sie stellen demnach keine menschenrechtlich oder gesetzlich zu beanstandende Diskriminierung dar. 

Die Bundesregierung benennt in ihrem aktuellen Bericht an den die UN-Antirassismuskonvention überwachenden Ausschuss u. a. vier Gruppen, die in Deutschland in besonderer Weise von rassistischer Diskriminierung betroffen sind: Sinti und Roma, die jüdische Gemeinde, Schwarze Menschen und muslimische Menschen bzw. Menschen, die als Muslime diskriminiert werden. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten sowie Fördermaßnahmen sollten als absoluten Mindeststandard diese Gruppen explizit berücksichtigen. Zudem gilt es auch weitere von rassistischer Diskriminierung betroffene Gruppen wie beispielsweise Geflüchtete, die asiatische Community oder andere People of Color mitzudenken.

Den Blickwinkel erweitern: Was ist Intersektionalität?

Um Diskriminierung umfassend in den Blick zu nehmen, ist entscheidend neben rassistischer Diskriminierung auch weitere Diskriminierungsformen zu berücksichtigen. Denn Menschen vereinen viele unterschiedliche Identitäten in einer Person. So kann jemand zum Beispiel zugleich Frau, Schwarz, Muslima und Angestellte sein. In Bezug auf Diskriminierung bedeutet das, dass Personen häufig von verschiedenen Diskriminierungsformen gleichzeitig betroffen sind. Dem will der Begriff Intersektionalität Rechnung tragen. 

Er ist vom englischen Begriff „intersection“ abgeleitet und heißt in der wörtlichen Übersetzung etwa so viel wie „Überschneidung“. Bezogen auf Diskriminierung bedeutet das, dass die oben genannte Frau zugleich Opfer von Sexismus, Rassismus und Klassismus sein kann. Man kann daher in diesem Zusammenhang auch von Mehrfachdiskriminierung sprechen. Dennoch addieren sich die Diskriminierungsformen nicht einfach. Sie entwickeln eine eigene Dynamik. Sie sind sozusagen mehr als die Summe ihrer Teile und verschmelzen zu spezifischen Diskriminierungserfahrungen. 

So wird die im Beispiel genannte Frau nicht als Frau und als Schwarze und als Muslima diskriminiert, sondern auch als Schwarze muslimische Frau – sie erlebt also Diskriminierungen, die sich z. B. von denen unterscheiden, die ein Schwarzer Mann erlebt und auch von denen, die eine weiße Frau erlebt. 

Der Begriff „Intersektionalität“ wurde von Schwarzen Feministinnen in den USA (vor allem vom Combahee River Collective eingeführt und von Kimberlé Crenshaw im Kontext von Antidiskriminierungsrecht popularisiert) geprägt. In den vergangenen Jahrzehnten etablierten sich der Begriff und die dahinterstehende Analyse auch zunehmend in Deutschland. Es waren kritische Migrantinnen, Schwarze Deutsche, jüdische Frauen, Lesben oder Frauen mit Behinderungen, die auf viele ihrer Probleme verwiesen, die sie explizit als Frauen betrafen, die aber bisher nicht umfassend von der Frauenbewegung aufgenommen wurden. Das Konzept der Intersektionalität erweitert den Blickwinkel. 

Eine Schwarze Frau erlebtDiskriminierungen, die sich von denenunterscheiden, die ein Schwarzer Mannerlebt und auch von denen, die eineweiße Frau erlebt. 

Für die Debatte um Diskriminierung ist dieser erweiterte Blickwinkel unerlässlich. Dies zeigt sich beispielsweise an der Diskussion um Frauen in Führungspositionen und gilt auch für andere Managementebenen: Selten wird im öffentlichen Diskurs („7,3 % der Vorstände in deutschen börsennotierten Unternehmen sind Frauen”) darauf eingegangen, wie viele der Frauen in Führungspositionen eine Einwanderungsgeschichte haben und/oder von rassistischer Diskriminierung betroffen sind – obwohl sie, anders als weiße Frauen, neben sexistischer Diskriminierung auch von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. 

Ohne die „Vermessung” von Diskriminierung ist die Förderung von Inklusion und Gleichberechtigung nur schwer möglich. 

Diese Komplexität sollte trotz der oben erwähnten Kritik des Migrationshintergrundes nicht außer Acht gelassen werden. Es wäre nicht zielführend, anstelle der Sichtbarmachung der Diskriminierung (weißer) Frauen nun ausschließlich auf rassistische Diskriminierung zu fokussieren. Vielmehr empfiehlt sich, die Verschränkung und gegenseitige Bedingtheit unter- schiedlicher Diskriminierungsformen zusammen zu denken. Es lässt sich jedoch bereits jetzt feststellen, dass es eine große Herausforderung darstellt, Intersektionalität statistisch zu erfassen. Quantitative Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten sind immer nur ein verkürztes Abbild tatsächlich erlebter Erfahrungen, und Daten bzw. Zahlen suggerieren schnell ein additives Verständnis von Intersektionalität. 

Zwischenfazit: Wer nicht gezählt wird, zählt nicht 

In Deutschland ist eine fein-säuberliche Kategorisierung, Datenerhebung und bürokratische Erfassung in vielen Lebensbereichen wichtig. Von der Mülltrennung über beglaubigte Kopien bis zur Feinstaubbelastung wird vieles genau vorgegeben, genormt und gemessen. Gleichzeitig wird jedoch ein sehr wichtiges gesellschaftspolitisches Thema viel zu wenig bis gar nicht beleuchtet: die statistische Erhebung von rassistischer Diskriminierung. 

Leider gilt: Wer nicht gezählt wird – zählt nicht. Ohne die „Vermessung” von Diskriminierung ist die Förderung von Inklusion und Gleichberechtigung gerade auch in großen Organisationen nur schwer möglich, weil sie für Nichtbetroffene unsichtbar bleibt. 

Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten helfen hingegen, strukturelle Diskriminierung auf institutioneller, kultureller und individueller Ebene sichtbar zu machen und dieser aktiv durch Fördermaßnahmen begegnen zu können. Deshalb beantworten wir im folgenden Kapitel grundlegende Fragen zu diesen Daten.