Häufig gestellte Fragen

Anknüpfend an die Forderung vor allem aus der Zivilgesellschaft, dass sich die Diversität der Gesellschaft jedenfalls in allen Einrichtungen mit gemeinwohlorientiertem Bildungsauftrag widerspiegeln sollte, stellt sich die Frage nach empirischen Daten – wer ist eigentlich wie und wo repräsentiert. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, welche Maßnahmen effektiv Diversität in Institutionen fördern – und wie etablierte Strukturen und Routinen abgebaut werden können, die bewusst oder unbewusst zu Ausschlüssen von bestimmten Personen und Gruppen führen.

ADGD Glossar

Was sind Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten (ADGD)?

Symbolbild Daten am Computer
  • ADGD sind „Daten, die mit dem Ziel erhoben werden, systematische Benachteiligungen sichtbar zu machen und Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen zu können.” (Antidiskriminierungsstelle des Bundes).
  • ADGD bezeichnen bereits im Namen den Zweck der Erhebung dieser Daten.
  • ADGD identifizieren Hürden, Barrieren und Ausschlüsse sowie deren Effekte bezüglich bestimmter Gruppen basierend auf deren Diskriminierungserfahrungen.
  • ADGD erfassen Repräsentation unterschiedlicher Gruppen.
  • ADGD dienen zur Formulierung, Durchführung und Evaluierung von Gleichstellungs- /Antidiskriminierungs- / Diversitätsmaßnahmen (Monitoring).
  • ADGD dienen als empirische, daten- und evidenzbasierte Grundlage für Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik.
  • ADGD beziehen sich auf alle Dimensionen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter, Sexuelle Identität) sowie den sozialen und sozioökonomischen Status.
  • ADGD verwenden horizontale und intersektionale Perspektiven, d.h. sie sind auf Mehrfachdiskriminierung und deren Verschränkung ausgerichtet.
  • ADGD überwinden externe/Fremd-Zuschreibung, welche die Grundlage von Diskriminierung darstellt (z.B. Schätzungen).
  • ADGD stützen sich auf die Perspektive der Befragten und beziehen die von diesen erfahrenen Fremdzuschreibungen mit ein (auto-hetero-Perspektive).
  • ADGD dekonstruieren die Kategorie des „Migrationshintergrundes“ und ersetzen diese bzgl. der Dimension rassistische Diskriminierung.

Ziel: Diskriminierung abzubauen / positive Maßnahmen zu formulieren anstatt „Köpfe“ zu zählen oder Zuschreibungen zu tä̈tigen.

Quelle: Vortrag Citizens For Europe, 11.09.2019 in München

Kernprinzipien für die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten*

Darstellung von Daten bzw. Datenerhebung durch Graphiken, Tortendiagramme, Bildschirme, Dokumente, Taschenrechner.

Entscheidet man sich für die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten, sollten folgende Hinweise bei der Konzeption einer solchen Erfassung Berücksichtigung finden.

1. Selbstidentifikation (Befragte können selbst angeben, wie sie sich identifizieren)

Die Selbstbeschreibung der Befragten zur Selbst- und Fremdwahrnehmung ist in die Erfassung von Diskriminierung (und damit auch von Teilhabe) einzubeziehen.

2. Freiwillige Teilnahme

3. Aufklärung über Sinn und Zweck der Datenerhebung

Bei der Erfassung ist immer deutlich zu machen, dass diese Erfassung in einem Antidiskriminierungskontext stattfindet. D.h. das Ziel der Befragung / Erfassung – die Überwindung von (struktureller) Diskriminierung – sollte offengelegt werden.

4. Anonymität der Befragten

5. Beteiligung von Vertreter*innen von diskriminierten Gruppen am Prozess der Datenerhebung, -analyse und -verbreitung

Von Seiten der Verwaltung sollte mehr Dialog mit den Betroffenen /„vermessenen“ Personen stattfinden, um deren gleichberechtigte Teilhabe es geht.

6. Möglichkeit, mehrere Identitäten, Diskriminierungsgründe und Fremdzuschreibungen anzugeben sowie eine intersektionale Auswertung

Mehrfachidentitäten / Mehrfachdiskriminierungen sollten mitgedacht werden.

7. Prinzip der Nichtschädigung (Daten dürfen nicht missbraucht werden)

Wer hat wann und wie Zugriff auf die (Roh-) Daten?

8. Arbeitsbereiche sind unterschiedlich

Man kann und sollte von anderen Bereichen lernen, muss aber auch die spezifischen Bedingungen im jeweiligen Feld berücksichtigen.

*Grundlage für die hier skizzierten Punkte ist sind die „Sieben Kernprinzipien für die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten“, die von Citizens For Europe und den neuen deutschen organisationen im September 2018 herausgegeben wurden (gleich ≠ gleich - Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten & positive Maßnahmen für einen effektiven Diskriminierungsschutz)" https://neuedeutsche.org/fileadmin/user_upload/Publikationen/RZ_NDO_Fact_ADGD_1_05.pdf sowie vertiefende bzw. ergänzende Einschätzungen aus dem Fachgespräch der Fachstelle für Demokratie im Jahre 2019.

Vielfalts- und Diskriminierungsdimensionen

Titelbild von Vielfalt entscheidet - Data for Equity: Diverse Menschen: Kinder, ältere Menschen, BiPoc Personen, blinde Person und Person im Rollstuhl.

Ein intersektionales Verständnis und die Analyse des Zusammenwirkens dieser Diskriminierungsdimensionen sind zentral für die Förderung von Vielfalt und den Abbau von Diskriminierung.

  • Beeinträchtigung / Behinderung
  • Geschlechts-identität
  • Gewichtsdiskriminierung
  • Hohes u. niedriges Lebensalter
  • Ost- / DDR Sozialisation
  • rassistische Zuschreibung / “ethnische” Diskriminierung
  • Religion / Weltanschauung
  • sexuelle Orientierung / Identität
  • sozialer Status
  • familiäre Fürsorge, -verantwortung

Begriffserklärung

Titelbild von Vielfalt entscheidet - Data for Equity: Diverse Menschen: Kinder, ältere Menschen, BiPoc Personen, blinde Person und Person im Rollstuhl.
  • Äquivalenzeinkommen: Das Äquivalenzeinkommen ist ein Wert, der sich aus dem Gesamteinkommen eines Haushalts und der Anzahl und dem Alter der von diesem Einkommen lebenden Personen ergibt. Das Äquivalenzeinkommen wird vor allem für die Berechnung von Einkommensverteilung, Einkommensungleichheit und Armut verwendet. Mithilfe einer Äquivalenzskala werden die Einkommen nach Haushaltsgröße und -zusammensetzung gewichtet. Dadurch werden die Einkommen von Personen, die in unterschiedlich großen Haushalten leben, vergleichbar, da in größeren Haushalten Einspareffekte (Economies of Scale) auftreten (z. B. durch gemeinsame Nutzung von Wohnraum oder Haushaltsgeräten) (Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021).
  • AGG: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein Bundesgesetz. Ziel des Gesetzes ist der Schutz vor Benachteiligungen aus rassistischen Gründen oder in Bezug auf die „ethnische” Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität.
  • Agnostisch: Der Agnostizismus ist eine Weltanschauung, die davon ausgeht, dass das Erkennen von und das Wissen um die Existenz oder Nicht-Existenz eines Gottes oder mehrerer Gött*innen, also alles Übersinnlichen, nicht abschließend möglich ist.
  • Anonymisierung: „Anonymisierung und Pseudonymisierung sind Maßnahmen des Datenschutzes. Die Anonymisierung ist das Verändern personenbezogener Daten derart, dass diese Daten nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Personzugeordnet werden können. Eine vollständige Anonymisierung ist sehr schwer zu erlangen. Bei der Pseudonymisierung wird der Name oder ein anderes Identifikationsmerkmal durch ein Pseudonym (zumeist ein Code, bestehend aus einer Buchstaben- oder Zahlenkombination) ersetzt, um die Feststellung der Identität des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren [...]. [...] Die Pseudonymisierung ermöglicht also – unter Zuhilfenahme eines Schlüssels – die Zuordnung von Daten zu einer Person, was ohne diesen Schlüssel nicht oder nur schwer möglich ist, da Daten und Identifikationsmerkmale getrennt sind. Entscheidend ist also, dass eine Zusammenführung von Person und Daten noch möglich ist. Je aussagekräftiger die Datenansammlung ist (z. B. Einkommen, Krankheitsgeschichte, Wohnort, Größe), desto größer ist die theoretische Möglichkeit, diese auch ohne Code einer bestimmten Person zuzuordnen und diese identifizieren zu können. Um die Anonymität zu wahren, müssten diese Daten gegebenenfalls getrennt oder verfälscht werden, um die Identitätsfeststellung zu erschweren.“ (Wikipedia, 2021a)
  • Anonymisierungsrisikotest: Erhebungen, die Mikrodaten (Daten, die sich auf einzelne Personen beziehen) sammeln müssen gewährleisten, dass die Identität ihrer Befragten bei Veröffentlichung der Daten geschützt sind. Ein Anonymisierungsrisikotest bewertet und reduziert das Offenlegungsrisiko von Mikrodaten im Verhältnis zum Identitätsschutz der Befragten.
  • Arithmetisches Mittel (Durchschnitt): Der allgemein bekannte Durchschnitt ist in der Statistik das arithmetische Mittel: man addiert die Werte, deren Mittelwert gesucht wird, und teilt sie durch ihre Anzahl. In der Statistik konkurriert das arithmetische Mittel noch mit einem anderen Durchschnittswert: dem Median (Statista, 2021).
  • Atheistisch: Der Atheismus ist eine Weltanschauung, die die Existenz eines Gottes oder mehrerer Gött*innen leugnet.
  • BIPoC: BIPoC ist die Abkürzung von Black, Indigenous, People of Color und bedeutet auf Deutsch Schwarz, Indigen, wobei der Begriff People of Color nicht übersetzt wird, weil der Begriff sich nicht auf „farbig“ bezieht, sondern auf die Vielfalt unserer Erfahrungen, Biografien und Herkünfte. All diese Begriffe sind politische Selbstbezeichnungen. People of Color verwenden Menschen, die rassistische Diskriminierungen in weißen Mehrheitsgesellschaften erfahren, als gemeinsame politische Selbstbenennung. Die positive Verwendung des Begriffs hat ihren Ursprung in der Black Power-Bewegung in den USA Ende der 1960er Jahre. Das bedeutet, sie sind aus dem Widerstand gegen Rassismus entstanden und stehen bis heute für die Kämpfe gegen diese Unterdrückungen und für mehr Gleichberechtigung (Migrationsrat, 2020).
  • Black Consciousness: Black Consciousness (Schwarzes Bewusstsein) ist ein Begriff, der maßgeblich vom südafrikanischen Aktivisten Steve Biko (1939 - 1977) initiierten Black Consciousness Movement geprägt wurde. Biko war engagiert im Kamf gegen das rassistische Apartheid-Regime in Südafrika, das die Schwarze Bevölkerungsmehrheit unterdrückte, entrechtete und eine brutale weiße Minderheitsherrschaft etabliert hatte. Biko beschreibt Kernpunkte von Black Consciousness so: „Im Mittelpunkt dieses Denkens steht die Erkenntnis der Schwarzen, dass die mächtigste Waffe in den Händen der Unterdrücker der Verstand/Intellekt der Unterdrückten ist.” Durch einen positive Rückbezug auf die eigenen Geschichten jenseits rassistischer und eurozentrischer Zuschreibungen und durch die Befähigung zum Eintreten für die eigene Freiheit sollte ein Schwarzes Selbstverständnis geschaffen werden, dass sich bewusst von rassistischen imperialen Maßstäben befreit.
  • Black History Month: „Jedes Jahr im Februar feiern Schwarze Menschen in verschiedenen Communitys weltweit den Black History Month, um auf die Errungenschaften Schwarzer Menschen in ihrer Gesellschaft und der Weltgeschichte aufmerksam zu machen. Ausgehend von den U.S.A und Kanada zelebrieren verschiedene Organisationen einen Monat lang Schwarze Kultur und Personen, die maßgeblich dazu beigetragen haben. Zum einen soll der Monat die Errungenschaften Schwarzer Menschen sichtbar machen, die im gesamtgesellschaftlichen Kontext gerne übersehen werden, zum anderen soll er aber auch auf Rassismuserfahrungen aufmerksam machen. Vor allem soll der Zusammenhalt innerhalb der Communitys zelebriert und gestärkt werden. In Deutschland wurde der Monat das erste Mal in den 90er Jahren von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) gefeiert. Auch beim deutschen Ableger geht es darum, Schwarzer Geschichte [in Deutschland und weltweit] ein Gesicht zu geben.” (Parbey, 2019) Seinen Anfang hatte der Black History Month übrigens als Black History Week, die 1926 zum ersten Mal durch das Engagement des afro- amerikanischen Historikers Carter G. Woodson stattfand.
  • Bürger*innen-Versicherung:  Die Bürger*innen-Versicherung ist eine einzige Krankenversicherung für alle. Durch die Bürger*innen- Versicherung würde sich jede*r  Bürger*in an der solidarischen  Finanzierung des Gesundheitssystems beteiligen. Das bisherige System, in dem gesetzliche und private Krankenversicherung nebeneinander existieren, würde aufgehoben werden (Aikins; Bremberger; Aikins;  Gyamerah; Yıldırım-Caliman, 2020).
  • Cis-Frauen / Cis-Männer / cis-geschlechtlich: „Cis” bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Wenn in Alltagsgesprächen von „Frauen” und „Männern” die Rede ist, sind oft nur Cis- Frauen und Cis-Männer gemeint bzw. mitgedacht. Um sichtbar zu machen, dass damit gesellschaftliche Privilegien einhergehen, benennen immer mehr Cis-Menschen, dass sie cisgeschlechtlich sind.
  • Cis-/Hetero-Sexismus: Hetero-Sexismus ist eine Form der Diskriminierung, die jede andere Art der Sexualität neben der Heterosexualität abwertet. Dem zugrunde liegt die Heteronormativität, also eine Vorstellung von Heterosexualität als Norm, von der andere sexuelle Orientierungen abweichen. Cis-Sexismus ist eine Form der Diskriminierung, die jede Art der geschlechtlichen Identität neben der Cis-Identität, wie Trans*- Inter*- und nicht-binäre* Identitäten, abwertet. Ihr zugrunde liegt die Cis-Normativität. In einem cis-normativen Weltbild gibt es nur zwei Geschlechter, das biologische verweist auf das soziale Geschlecht und Cis-Geschlechtlichkeit stellt die Norm der Geschlechtsidentität dar. Hetero- und Cis-Normativität haben die Herausstellung starrer binärer Geschlechterrollen zur Folge, deren Abweichung sanktioniert und auf gesellschaftlicher Ebene strukturelle Diskriminierung zur Folge hat.
  • Colorism: Colorism beschreibt die Hierarchisierung und intensivierte rassistische Abwertung nach „Hautschattierungen”, im Kontext von ASR ggf. in Verbindung mit weiteren zugeschriebenen „afrikanischen Merkmalen”. Dabei werden BIPoC mit hellerem Hautton favorisiert und BIPOC mit dunklerer Haut [und zugeschriebenen stärkeren afrikanischen Merkmalen] diskriminiert. Colorism findet zwischen, aber auch innerhalb von verschiedenen Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen und anderen vormals kolonisierten Gemeinschaften statt. „Mit ein Grund, weshalb die Thematik sogar innerhalb Schwarzer Communitys stark tabuisiert und die Auseinandersetzung damit sehr emotional und teils schmerzhaft ist. Denn das Gefühl von Einigkeit und Zusammenhalt im gemeinsamen Kampf gegen Rassismus erhält Risse. [BI-POCS] mit hellerer Haut fällt es oftmals schwer anzuerkennen, dass sie in einem rassistischen System Privilegien genießen, die [BIPoCS] mit dunklerer Haut nicht haben. Rassismuserfahrungen können sich jedoch stark unterscheiden: Geschlecht, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion, Körper, Behinderung, regionale 303Afrozensus 2020 Hintergründe oder eben auch der Hautton wirken hier mit hinein.” (Musafiri, 2019).
  • Communities-Care: Communities-Care im Kontext von Empowerment Schwarzer, afrikanischer, afrodiasporischer Menschen verstehen wir als Fürsorge für und durch die Gemeinschaften bzw. Communities in Form von Selbstorganisationsstrukturen, informellen Unterstützungsmöglichkeiten und Angeboten, etc. Verwandte Konzepte sind „Community Building“ und „Community Organizing“, in denen es auch um die gemeinsame Verantwortung und den Einsatz zur Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse geht; individuelle und kollektive Ressourcen; Wissen und Zugänge zu teilen um alle diskriminierten Gruppen zu empowern. Der Begriff ist unter anderem geprägt als Gemeinschaftsorientierung, Teilhabe für Menschen, die behindert werden, zu ermöglichen.
  • Critical Incident Reporting System: Ein Critical Incident Reporting System ist ein anonymes Berichtssystem, das u.a. im Gesundheitswesen eingesetzt wird, um Schwachstellen im System und potentielle Risiken frühzeitig zu er- kennen und damit die Patient*innensicherheit zu erhöhen.
  • Diagnostik: Zur Diagnostik zählen alle Untersuchungen, die Ärzt*innen, Psycholog*innen, Heilpraktiker*innen und andere Behandler*innen durchführen, um eine Krankheit festzustellen. Dies beinhaltet die Anamnese, d.h. z. B., welche Symptome bei den Patient*innen auftreten und welche Vorerkrankungen es in der Familie gibt. Bei der körperlichen Diagnostik werden Patient*innen abgetastet oder abgehört. Zusätzlich können auch andere Untersuchungen veranlasst werden, etwa Blutuntersuchungen oder Ultraschall. Zu beachten ist, dass Diagnostik nicht neutral, sondern beeinflusst von gesellschaftlichen Kontexten und Machtstrukturen ist. Sexistische und rassistische Strukturen im Gesundheitswesen haben beispiels- weise einen Einfluss darauf, welche Diagnosen bestimmte Menschen (z. B. Frauen und rassismuserfahrene Menschen) erhalten – und ab wann eine Person als „krank” gilt.
  • Divers: siehe TIN*
  • Essentialisierung: Essentialisierung beschreibt einen Prozess der Reduzierung von Diskriminierten auf eine angebliche Essenz, einen Wesenskern, der die stattfindende Diskriminierung rechtfertigen soll. Essentialisierung ist ein wesentlicher Aspekt rassistischer Abwertung und Diskriminierung.
  • Fawn-Reaktion: Die Fawn-Reaktion nennt man eine Bewältigungsstrategie, die Menschen mit Traumaerfahrungen entwickelt haben, um Konflikte zu vermeiden. Dabei reagieren sie z. B. auf einen konflikthaften Auslöser mit übertriebener Freundlichkeit, obwohl ihnen eigentlich gar nicht danach ist, nur um den Frie- den zu wahren und nicht in den Konflikt gehen zu müssen. Wie erwähnt, ist diese Reaktion eine Traumareaktion, d. h. Menschen, die sich diese Strategie angeeignet haben, verwenden sie nicht immer bewusst, sondern haben sie in Reaktion auf traumatische Ereignisse verinnerlicht.
  • Gaslighting: Als Gaslighting [...] wird in der Psychologie eine Form von psychischer Gewalt beziehungsweise Missbrauch bezeichnet, mit der [Betroffene] gezielt desorientiert, manipuliert und zutiefst verunsichert werden und ihr Realitäts- und Selbstbewusstsein allmählich deformiert bzw. zerstört wird (Wikipedia, 2021b).
  • Geschlechtsidentität: Die Geschlechtsidentität meint das Identifizieren mit einem, mehreren oder keinem Geschlecht, unabhängig vom biologischen Ge- schlecht oder Geschlechterrollen, die aufgrund des biologischen Geschlechts erwartet werden. Jeder Mensch besitzt eine Geschlechtsidentität: Sie ist das innere Wissen, welches Geschlecht man hat (Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V., 2021).
  • Grundeinkommen: Beim Grundeinkommen zahlt der Staat jedem Menschen ein monatliches Einkommen, das alle grund- legenden Lebenshaltungskosten deckt. Dadurch werden viele bestehende Sozialleistungen ersetzt. Das Ziel ist es, jedem Menschen einen minimalen Lebensstandard zu garantieren. Alle erhalten den gleichen Betrag, egal ob sie arbeiten oder nicht. Das Geld, das man zusätzlich verdient, darf behalten werden. Das Grundeinkommen wird über Steuern finanziert (Aikins; Bremberger; Aikins; Gyamerah; Yıldırım-Caliman, 2020).
  • Hard-to-reach-Population: Hard-to-reach-Populations (zu Deutsch: schwer zu erreichende Ziel-/Bevölkerungsgruppen) zeichnen sich dadurch aus, dass es schwierig ist, mit gängigen Wahrscheinlichkeitsmethoden Stichproben aus ihnen zu ziehen. In der Regel steht kein Stichprobenrahmen für die Zielpopulation zur Verfügung, d.h. die Grundgesamtheit der Bevölkerungsgruppe ist nicht bekannt. Ihre Mitglieder sind in der Gesamtbevölkerung selten oder sie werden stigmatisiert und sind deswegen über eine repräsentative Zufallsauswahl nicht oder nur schwer zu erreichen (Faugier & Sargeant, 1997).
  • Hatespeech: „‚Hatespeech’ (zu Deutsch: Hassrede) ist ein politischer Begriff. Dementsprechend ist die Definition politisch umkämpft. In Deutschland ist sie zudem keine juristische Kategorie, auch wenn einige Straftatbestände, besonders die Volksverhetzung, ihr nahekommen. Auch die Kriminalitätsstatistik der Polizei kennt Hate Speech nicht als eigenständige Kategorie. Die Diskussion um Hate Speech ist außerdem in einigen Ländern weiter fortgeschritten als in anderen, verschiedene Rechtssysteme sanktionieren Hassrede auf unter- schiedliche Art und Weise. Wir [No-Hate-Speech Kampagne] denken, dass Hassrede eine*n nicht zufällig trifft – sie richtet sich vor allem gegen diejenigen, die bereits gesellschaftlich benachteiligt sind, oder diejenigen, die sich mit diesen Menschen solidarisieren. In Deutschland ist dafür auch der Begriff gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bekannt: Er umfasst Stereotype, Vorurteile und Diskriminierungen gegen Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Zugehörigkeit zu einer benachteiligten Gruppe unserer Gesellschaft. Als Hassrede bezeichnen wir [No-Hate-Speech Kampagne] sprachliche Handlungen gegen Einzelpersonen und/ oder Gruppen mit dem Ziel der Abwertung oder Bedrohung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer benachteiligten Gruppe in der Gesellschaft. Die Person oder Gruppe muss dafür rein zahlenmäßig nicht in der Minderheit sein, andersherum sind Minderheitengruppen nicht automatisch benachteiligt.” (No Hate Speech, 2021).
  • Haushaltsnettoeinkommen: Das Haushaltsnettoeinkommen bezeichnet das Einkommen, welches aus dem zusammengerechneten Einkommen aller Haushaltsmitglieder besteht und ihnen für den privaten Verbrauch und zum Sparen nach Abzug aller Abgaben, Steuern und Beiträgen zu Pflichtversicherungen zur Verfügung steht. Nettoeinkommen bei Selbständigkeit bezeichnet das Einkommen nach Abzug aller Betriebsausgaben sowie Abgaben und Steuern (Aikins; Bremberger; Aikins; Gyamerah; Yıldırım-Caliman, 2020).
  • Imposter Syndrome: Das Imposter Syndrome (zu Deutsch: Hochstapler-Syndrom) bezeichnet ein psychologisches Phänomen, das sich meist im professionellen, beruflichen Kontext äußert. Dabei wird der eigene Erfolg nicht anerkannt und als legitim empfunden, denn er kann nicht in Zusammenhang mit dem eigenen Können und Wissen gebracht werden, da dieses von der betroffenen Person grundsätzlich in Frage gestellt wird. Betroffene haben oft ein erhöhtes Stressempfinden, denn sie leben mit der steten Angst, die eigens erlebte „Unfähigkeit” könne jeden Moment vom Umfeld aufgedeckt werden.
  • Intersektional, Intersektionalität: Intersektionalität betrachtet die Wechselwirkung unterschiedlicher sozialer Kategorien wie etwa Sozialer Status/soziale Herkunft, Geschlecht, Ethnizität/rassistische Diskriminierung, Religion, Behinderung/Beeinträchtigung sowie Alter und/oder sexuelle Orientierung/Identität. Dabei werden die verschiedenen Kategorien nicht addiert, sondern die Wechselwirkungen und Verflechtungen verschiedener Positionen sozialer Ungleichheit analysiert (Each One Teach One e.V. & Citizens For Europe, 2020).
  • Invisibility Syndrome: Das Invisibility Syndrome (zu Deutsch: Unsichtbarkeits-Syndrom) bezeichnet die Wahrnehmung einer Person, die einer marginalisierten Gruppe angehört, dass ihre Fähigkeiten und ihre Identität nicht gesehen werden, weil vorgefasste Meinungen und Stereotype über sie vorherrschen.
  • Intervision: Intervision ist ein anderes Wort für kollegiale Fallberatung, bei der eine Gruppe von Menschen in einem beruflichen Kontext gemeinsam nach Lösungen für ein konkretes Problem suchen, welches meist eines der Gruppenmitglieder aus ihrem Arbeitsalltag beschäftigt
  • Klassismus, klassistische Diskriminierung: „Klassismus bezeichnet die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft und/oder der sozialen und ökonomischen Position. Es geht bei Klassismus also nicht nur um die Frage, wie viel Geld jemand zur Verfügung hat, sondern auch welchen Status er hat und in welchen finanziellen und sozialen Verhältnissen er aufgewachsen ist. Klassismus richtet sich mehrheit- lich gegen Personen einer ‚niedrigeren Klasse’. Der Begriff Klassismus ist ein noch nicht sehr weit verbreiteter Be- griff, der ‚classism’ aus dem US- amerikanischen Kontext ins Deutsche transportiert. Er folgt nicht einer bestimmten Definition von 305Afrozensus 2020 Klasse, wie zum Beispiel der von Marx, Bourdieu oder Max Weber, auch wenn es Überschneidungen zu den Definitionen gibt. Viel- mehr wurde mit dem Begriff eine eigene Setzung vorgenommen, bei der nicht davon ausgegangen wurde, dass alle die oben genannten Theorien kennen. Der Begriff wurde maßgeblich durch die Erfahrungen von Communities geprägt, die mehrfachdiskriminiert werden, also zum Beispiel durch Gruppen innerhalb der Frauenbewegung oder der ‚Black Movements’, die Klassismus erfahren. Mit dem Begriff werden deswegen verschiedene Diskriminierungsdimensionen aus einer intersektionalen Perspektive berücksichtigt. Außerdem umfasst der Begriff nicht nur die ökonomische Stellung von Menschen, sondern auch die verschiedenen Abwertungserfahrungen auf kultureller, politischer, institutioneller und individueller Ebene.” (Diversity Arts Culture, o. J.)  
  • Komorbidität (Begleiterkrankung): Von Komorbidität wird gesprochen, wenn eine Erkrankung oder ein Syndrom zu einer Grunderkrankung in einem bestimmten Zeitraum hinzu kommt.
  • Kreuztabellenanalyse: Soll nicht nur eine Variable (Merk- mal), sondern der Zusammenhang von zwei (oder mehr) Variablen untersucht werden, wird eine Kreuztabelle verwendet. Es handelt sich um eine tabellarische Anordnung, in der die Ausprägungen von zwei Variablen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dadurch können große Datenmengen in eine übersichtliche Form gebracht und ausgewertet werden.
  • LSBTIAQ+ bzw. LSBAQ: LSBTIAQ+ ist eine Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*, asexuell und queer. Queer und das „+“ stehen für die Öffnung der Kategorien und als Platzhalter für alle, die sich nicht in einem der vorangegangenen Benennungen wiederfinden. Mit der Kombination von Identitäten wird versucht, so viele Geschlechter und sexuelle Orientierungen wie möglich im queeren Spektrum abzubilden. Oft wird auch die englischsprachige Abkürzung LGBTIAQ+ verwendet, die für lesbian, gay, bisexual, trans*, inter*, asexual und queer steht. In unserem Fragebogen wurde der Begriff „Queer” als eine von vielen möglichen sexuellen Orientierungen/ Identitäten zur Auswahl angeboten. Diese Operationalisierung wurde vom Auswertungsteam im Nachhinein als unzureichend bewertet, denn der Begriff „Queer” bedeutet viel mehr als nur eine „sexuelle Orientierung” und ist vielmehr eine Positionierung innerhalb der Gesellschaft und der LSBTI+-Community, wie vom Queer Lexikon erklärt: Im Englischen war ‚queer‘ lange Zeit ein Schimpfwort, insbesondere gegenüber schwulen Männern. Heute wird der Begriff aber meist positiv als Selbstbezeichnung gebraucht, vor allem von Menschen, die ihre Identität als ‚außerhalb der gesellschaftlichen Norm‘ ansehen. Außer- dem kann queer als Überbegriff für Menschen benutzt werden, die nicht in die romantischen, sexuellen und/ oder geschlechtlichen Normen der Gesellschaft passen. Queer ist aber auch eine Theorierichtung und ein Wissenschaftszweig, in dem Schub- ladendenken aufgebrochen wird, verschiedene Unterdrückungsformen miteinander verknüpft gedacht werden sollen und insbesondere Sexualität als ein Ort der Unterdrückung untersucht wird. Der Begriff „Queer” muss also eigentlich außerhalb der Dichotomie Genderidentität/Sexuelle Orientierung betrachtet werden. Für die Auswertung im Afrozensus musste „Queer” jedoch aufgrund der Operationalisierung im Fragebogen unter den Kategorien der sexuellen Orientierung/ Identität mit betrachtet werden, deswegen LSBAQ. Darüber hinaus war in unserer Auswertung ein zentraler Punkt, dass Menschen einer nicht-cis Identität und einer nicht-heterosexuellen Orientierung jeweils separat betrachtet werden können. Deswegen erfolgte die Analyse entlang der Vielfaltsdimensionen einmal für  TIN* und einmal für LSBAQ. Die empirischen Ergebnisse bestätigen, dass diese Gruppen - die unter LSBTIQA+ normalerweise als eins betrachtet werden - unterschiedliche Erfahrungen machen.
  • Median: Der Median ist der Wert, der in der Mitte liegt. Beispiel: Größe aller Mitarbeiter*innen in diesem Projekt in Zentimeter: 150, 160, 170, 175, 180, 185, 225. Bei der Berechnung des Medians werden diese Zahlen nach der Größe sortiert und dann der Wert in der Mitte gewählt, hier: 175 cm. Es bedarf also keiner „Berechnung” des Mittel- wertes, wie beim arithmetischen Mittel (hier = 177,86 cm). Der große Vorteil ist, dass der Median gegenüber Ausreißern (extrem hohe oder niedrige Werte, siehe bei diesem Größenbeispiel den Wert 225 cm) robuster ist und daher oftmals dem arithmetischen Mittel vorgezogen wird (Statista, 2021).
  • Mikroaggression: Mikroaggressionen sind diskriminierende Verhaltensweisen, also explizit oder implizit sowie bewusst oder unbewusst herabwürdigende Kommentare, Beleidigungen oder Witze. In ihrer Menge führen sie bei Glossar 306Afrozensus 2020 Betroffenen oft zu psychischen Belastungen. Mikroaggressionen wer- den zur Veranschaulichung oft mit Mückenstichen verglichen, die im Einzelfall erträglich sind, in hoher Anzahl aber durchaus belastend sein können. Video: How microaggressions are like mosquito bites (Fusion Come- dy, 2016).
  • Morbus Mediterraneus: Ist eine rassistische Bezeichnung, die häufig von Ärzt*innen und Pflegepersonal für BIPoC-Patitent*innen verwendet wird. Dahinter liegt das wissenschaftlich nicht haltbare Vorurteil/die Zuschreibung, dass BIPoC wehleidiger und schmerzempfindlicher als weiße Patient*innen seien.
  • Nicht-binäre Personen: siehe TIN*
  • PAD-Week: Die PAD (People of African Descent) WEEK Germany ist eine zivilgesellschaftliche Konferenz von und für Menschen afrikanischer Herkunft. Erstmals kamen im November 2019 mehr als 300 Personen aus 35 Organisationen afrikanischer Herkunft aus ganz Deutschland zu einer Konferenz im Rahmen der UN-De- kade für Menschen afrikanischer Herkunft zusammen, um Entscheidungsträger*innen in Legislative und Exekutive gleichermaßen auf die Defizite im Menschenrechtsschutz für Schwarze Menschen so- wie die Errungenschaften von PAD in Deutschland aufmerksam zu machen. Angeregt durch die PAD-WEEK Europe im Europäischen Parlament von 2018, konzentrierte sich die Konferenz auf drei Hauptthemen: Capacity Building der Schwarzen Zivilgesellschaft in Deutschland, die Vernetzung von Stakeholdern aus der Politik, Wissenschaft und der Schwarzen Zivilgesellschaft sowie auf den Dialog der Zivilgesellschaft mit der Verwaltung. Nach dem Auftaktsymposium im Bundestag mit 150 PAD gab es Podiumsdiskussionen, Vorträge, Workshops und ein Kulturprogramm (Each One Teach One e.V., 2020).
  • PoC: siehe BiPoC
  • Porajmos: Porajmos (auf Deutsch: das Verschlingen) ist die von Sinti*zze- und Rom*nja-Communities selbst gewählte Bezeichnung des nationalsozialistischen Genozids, also der systematischen Verfolgung und Ermordung von Siti*zze und Rom*nja im Dritten Reich.
  • Positionierung: siehe Selbstpositionierung
  • Prozent (Personen): Die Prozentangaben in unseren Tabellen beziehen sich auf die relative Häufigkeit der Personen, die die Frage gesehen und beantwortet haben, d.h. eine Angabe gemacht haben. An einem Beispiel (siehe Abbildung): 88,5 % der Afrozensus-Befragten (Personen) haben unter anderem angegeben, aufgrund rassistischer Gründe bzw. bezüglich der „ethnischen Herkunft” im Bereich Bildung diskriminiert worden zu sein. „Unter anderem”, weil Mehrfachantworten möglich waren, d.h. Befragte konnten bei dieser Frage mehrere Merkmale angeben, bezüglich derer sie einschätzen, diskriminiert worden zu sein. So geben in unserem Beispiel auch 79,8 % der Befragten unter anderem an, in Bezug auf Hautfarbe diskriminiert worden zu sein und 33,2 % bezüglich des Namens. Deswegen ergeben alle Prozentzahlen der Zeilen zusammengerechnet über 100 %. Die Prozentwerte wurden mit der Anzahl der Menschen, die tatsächlich an der Frage teilgenommen haben, berechnet. Menschen, die gar keine Angabe gemacht haben oder die Frage nicht gesehen haben, wurden dabei nicht berücksichtigt. „Anzahl der Nennungen” in der Tabelle gibt an, wie häufig die Angabe gemacht wurde, d.h.: Wie viele der Befragten in absoluten Zahlen die Angabe gemacht haben. Wie erwähnt, waren Mehrfachantworten möglich, wes- wegen die Anzahl der Nennungen nicht summiert werden kann, um ein gesamtes N zu kalkulieren.
  • Prozentpunkt, -e: Abkürzung: Pp. Einheit zur Angabe einer Differenz zwischen zwei Prozentsätzen Generell ist der angegebene Pro- zentpunkt nicht mit der prozentualen Veränderung gleichzusetzen. Wenn beispielsweise das Wahlergebnis einer Partei innerhalb von Wahlperioden von zehn auf elf Prozent steigt, bedeutet dies eine Veränderung von einem Prozent- punkt. Die prozentuale Veränderung liegt jedoch bei zehn Prozent. Auch gleiche Veränderungen beim Prozentpunkt führen nicht zu gleichen prozentualen Veränderungen. Eine Partei, die sich innerhalb von zwei Wahlperioden von einem auf zwei Prozent steigern konnte, hat einen Zuwachs von 100 Prozent verzeichnet (Tarifo, 2021).
  • Pseudonymisierung: siehe Anonymisierung.
  • Queer: Queer ist eine aus einer abwertenden Zuschreibung ins Positive gewendete Selbstbezeichnung von Menschen aus LSBTIAQ+-Communities, also von Menschen, die nicht Glossar 309Afrozensus 2020 der gesellschaftlichen Hetero- und/ oder Cis-Norm entsprechen.
  • Race: „Als wörtliche deutsche Übersetzung für ‚race‘ schlägt das Wörter- buch ‚Rasse’ vor. Dennoch findet sich dieser Begriff in keiner ernst zu nehmenden aktuellen Übersetzung rassismuskritischer Literatur. Dort bleibt es vielmehr bei ‚race’, denn ‚race’ und ‚Rasse’ meinen in diesem Kontext nicht dasselbe. Während ‚race’ im englischsprachigen Raum durch eine akademische Verankerung eine Bedeutungswandlung von einer vermeintlich biologischen Kategorie hin zu einem sozialwissenschaftlichen Analyse-Tool vollzogen hat, impliziert ‚Rasse’ im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch die Existenz unterschiedlicher menschlicher Ras- sen. Kurz: Wer von ‚race’ spricht, weiß, dass Rassen eine Erfindung des Rassismus sind. Aber: Wer ‚Rasse’ sagt, glaubt, dass es Rassen gibt und ist demnach potenziell Rassist*in? – Ganz so einfach ist es leider nicht. In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht u. a. wörtlich, dass ‚[n]iemand […] wegen […] seiner Rasse […] benachteiligt oder bevorzugt werden [darf]‘. Diese Formulierung ist im Kontext der Gründung der BRD zu verstehen und sollte einer nationalsozialistischen Rassenideologie konkret entgegenwirken. Der Ansatz ist löblich und bis heute richtiger, als er auf den ersten Blick erscheint. Nicht leicht zu verstehen ist, dass es biologisch zwar keine Grundlage für Menschenrassen gibt, Menschen aber aufgrund der Annahme von Menschenrassen diskriminiert werden können.” (Kupka, 2020).
  • Racial Profiling: Racial Profiling liegt vor, wenn die Polizei eine Person aufgrund von rassistischen Zuschreibungen anhält, befragt, durchsucht und/oder verhaftet. Die Person wird also nicht kontrolliert, weil sie sich verdächtig verhalten hat oder auf eine konkrete Verdächtigenbeschreibung passt. Vielmehr geschieht die Kontrolle, weil Polizist*innen sie aufgrund von äußeren Merkmalen wie Haut- und Haarfarbe, Kleidung, religiösen Symbolen und/oder ihrer Sprache, als „fremd“/nicht-deutsch wahrnehmen und sie ihnen allein deshalb verdächtig erscheint (Aikins; Brem- berger; Aikins; Gyamerah; Yıldırım- Caliman, 2020).
  • Resilienz(strategien): Mit Resilienz wird in der Psychologie die bei Menschen unterschiedlich ausgeprägte seelische Wider- stands- und Anpassungsfähigkeit beschrieben, mit der sie belastende Situationen im Leben bewältigen.
  • Selbstpositionierung: Selbstpositionierung meint die persönliche bzw. biographische Verortung im gesellschaftlichen Gefüge in Bezug darauf, ob die eigene Person im Hinblick auf bestimmte Diskriminierungsformen, z.B: Rassismus, privilegiert oder betroffen ist.
  • Sicherer(er) Raum (safe(r) space): Mit safe(r) space ist ein Ort gemeint, in dem sich Betroffene rassistischer Gewalt (oder anderer Formen von Diskriminierung) austauschen und sein können, ohne dass ihre Erfahrungen mit Rassismus in Frage gestellt wer- den oder sie Gewalt erfahren. Mit dem Zusatz sichererer oder safer soll hervorgehoben werden, dass ein Raum, in dem Menschen mit unterschiedlichem Wissen und intersektionalen Diskriminierungserfahrungen zusammenkommen, idealerweise frei, aber nie komplett frei von Gewalt sein kann.
  • Signifikant, Signifikanz: Um zu überprüfen, ob Unterschiede zwischen Untergruppen (z. B. Menschen mit niedrigem Einkommen im Vergleich zu Menschen mit ho- hem Einkommen) in einer Stichprobe nicht zufällig sind, d. h., dass die Unterschiede nicht aufgrund von Abweichungen oder Verzerrungen in den Daten zustande gekommen sind, wird getestet, ob diese „signifikant” sind. Häufigster Anwendungsfall im Afrozensus ist der Vergleich vom Ausmaß von Diskriminierungserfahrungen zwischen Teilgruppen. Zur Berechnung der Signifikanz wurden mit der tendenziell deprivilegierten Gruppe und der tendenziell normprivilegierten Gruppe (z. B. Cis-Frauen und Cis-Männer) der jeweiligen Vielfaltsdimension (z. B. Geschlechtsidentität) ein Zweistichproben-t-Test durchgeführt. Für alle Werte von p unter 0,1 wurde ein signifikanter Unterschied zwischen den jeweiligen Gruppen für einen bestimmten Lebensbereich festgestellt. Aufgrund des N dieser Umfrage wurde das Signifikanzniveau p ≤ 0,1 (Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als 10 %) verwendet.
  • Snowball Sampling (Schneeballverfahren): Erhebungsmethode in der Sozialforschung. Nach den Angaben der Befragten in einer Stichprobe wird eine weitere Gruppe von Personen befragt, die ihrerseits wieder zu einem weiteren Kreis von Befragten führen kann usw. In den verschiedenen „Ringen“ des „Schneeballs“ befinden sich Personen, die mit den ursprünglich Befragten unmittelbar oder mittelbar in Kontakt stehen (Klimke et al., 2020).
  • Statistische Methoden (deduktiv, induktiv): Statistische Methoden dienen dazu, empirische Daten zu analysieren. Mithilfe der deskriptiven Statistik (auch beschreibende Statistik oder empirische Statistik) werden Daten werden in geeigneter Weise beschrieben, aufbereitet und zusammengefasst. Mit ihren Methoden verdichtet man quantitative Daten zu Tabellen, graphischen Darstellungen und Kennzahlen. Mit der induktiven Statistik (auch mathematische Statistik, schließende Statistik, beurteilende Statistik oder Inferenzstatistik) leitet man aus den Daten einer Stichprobe Eigenschaften einer Grundgesamtheit ab. Die Wahrscheinlichkeitstheorie liefert die Grundlagen für die erforderlichen Schätz- und Testverfahren (Wikipedia, 2021c).
  • Supervision: In der Supervision wird die eigene berufliche Tätigkeit mit Hilfe einer externen Person (Supervisor*in), die einen Blick von außen mitbringt, reflektiert.
  • TIN* (trans*, inter*, nicht-binär): Trans* ist ein Überbegriff für alle Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurden. Der Stern am Ende des Wortes ist ein Platzhalter. Er weist darauf hin, dass es nicht nur die Geschlechter „männlich” und „weiblich” gibt, sondern ein ganzes Spektrum von Geschlecht, Geschlechtsidentitäten und Körperlichkeiten (Each One Te- ach One e.V. & Citizens For Europe, 2020). Als inter* bezeichnen sich Menschen, die mit Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen, die nicht eindeutig einem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können. Intergeschlechtlichkeit ist keine sexuelle Orientierung, sondern beschreibt eine körperliche Gegebenheit (Each One Teach One e.V. & Citizens For Europe, 2020). Nicht-binäres Geschlecht ist ein Sammelbegriff für Geschlechtsidentitäten, welche sich nicht oder nicht nur in den binären Kategorien von Mann* und Frau* wiederfinden. Unter nicht-binär finden sich viele verschiedene Geschlechtsidentitäten, es kann aber auch eine persönliche Geschlechtsdefinition sein. Die Selbstbezeichnung TIN* benutzen wir in Abgrenzung zum Begriff „divers”, der vom Gesetzgeber zur Beschreibung einer dritten Option im Geschlechtseintrag benutzt wird (Antidiskriminierungsstelle des Bun- des, o. J.). Der Begriff wird kritisch betrachtet, da er nicht zusammen mit betroffenen Communities entwickelt wurde und im Kontext des Personenstandsgesetzes trans*geschlechtliche und nicht-binäre Personen ausschließt, da er sich nur auf Personen bezieht, deren körperliche Geschlechtsmerkmale sich nicht eindeutig in die Kategorien „weiblich” und „männlich” einordnen lassen.
  • Token, Tokenism: Mit dem Begriff Tokenismus [...] wird die Praxis kritisiert, lediglich symbolische Anstrengungen zu unternehmen, um Mitglieder einer gesellschaftlich marginalisierten Gruppe (Frauen, Migrant[*inn] en, Homosexuelle usw.) soziopolitisch (in Beruf, Politik, Kultur, Vereinsleben usw.) gleichzustellen. Tat- sächlich werde aber dem Gros der marginalisierten Minderheit(en) die Gleichbehandlung mit der Mehrheitsgesellschaft vorenthalten, ihre wenigen formell gleichberechtigten Vertreter[*innen] dienen als Tokens (Spielsteine, Marionetten, im übertragenen Sinn: Feigenblätter) (Wikipedia, 2021d).
  • Town Hall: Town Hall ist der englische Begriff für Bürger*innenversammlung. Es bezeichnet eine politische Versammlung auf meist kommunaler Ebene, die allen Einwohner*innen einer Region offenstehen. Die Town Halls im Vorfeld der PAD WEEK (siehe oben) in Hamburg, Köln, Leipzig und München wurden gemeinsam von EOTO und Schwarzen Partnerorganisationen durchgeführt, um den Austausch Schwarzer Menschen dieser Regionen untereinander zu stärken und gemeinsam politische Forderungen zu erarbeiten.
  • Trans*: siehe TIN*
  • Transsexuellengesetz (TSG): Das TSG ermöglicht es Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, entweder nur ihren Vornamen oder ihren Geschlechtseintrag im Geburtenregister zu ändern. Das jeweilige Amtsgericht, bei dem ein Antrag gestellt werden muss, weist zwei psychologische Gutachter*innen zu, die die Transgeschlechtlichkeit bestätigen müssen, und ein Gericht muss der Änderung anschließend zustimmen. Deshalb wird das TSG von Betroffenen-Ver- bänden und unterschiedlichen Parteien stark kritisiert, als menschenrechtsverletzend eingestuft und seine Abschaffung bzw. Reformierung hin zur Gewährleistung von geschlechtlicher Selbstbestimmung gefordert.
  • Traumaarbeit: Traumaarbeit meint die Be- und Verarbeitung traumatischer Erlebnisse mithilfe unterschiedlicher therapeutischer Verfahren. Im Kontext von Communites-Care und Empowerment meint es auch die kollektive Auseinandersetzung und Heilung von Trauma in geschützten Räumen.
  • White Gaze: White Gaze (zu Deutsch: der weiße Blick) ist die Annahme, dass die standardmäßigen Leser*innen oder Beobachter*innen aus der Perspektive von einer Person kommen, die sich als weiß identifiziert, oder dass  BIPoCs manchmal das Gefühl haben, die Reaktion weißer Leser*innen oder Beobachter*innen berücksichtigen zu müssen. Verschiedene BIPoC Autor*innen beschreiben dies als Stimme in ihrem Kopf, die sie daran erinnert, dass ihr Schreiben, ihre Figuren und ihre Handlungsentscheidungen von weißen Leser*innen beurteilt werden. Wie Toni Morrison es sagte: „The little white man that sits on your shoulder and checks out everything you do or say. You sort of knock him off and you’re free.“ [Der kleine weiße Mann sitzt auf deiner Schulter und kontrolliert alles, was du tust oder sagst. Du musst ihn loswerden und du bist frei.] (Wikipedia, 2021e)
  • Zweistichproben-t-Test: siehe Signifikant

Quelle: Afrozensus (2020). Perspektiven, Anti-Schwarze Rassismuserfahrungen und Engagement Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland.